Kommentar im Tagespiegel Background

Böhm: 14 Euro Fixum besser als 12 Euro

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Berlin -

Die Zahl der Apotheken ist im Sinkflug. Allein im ersten Halbjahr haben 283 Betriebsstätten geschlossen. Bis Jahresende werden weitere hinzukommen. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung ist in Gefahr. Rettung verspricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seiner geplanten Apothekenstruktur- und Honorarreform. Doch die wird die Lage nicht verbessern. Im Gegenteil. Mark Böhm, Vorstandsvorsitzender Noventi Health SE sieht zwar in der Digitalisierung eine Chance aber in anderen geplanten Maßnahmen eine Schwächung der Apotheken.

Zwar sei es das gemeinsame Ziel die flächendeckende Versorgung auch in Zukunft zu sicherzustellen, aber die Vorstellungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) und der Apothekerschaft klaffen weit auseinander, so Böhm in einem Kommentar, der im „Tagesspiegel Background“ veröffentlicht wurde.

ApoRG ist keine Entlastung

„Die dringend notwendige Reform, die Apotheken eigentlich entlasten soll, könnte die Situation nun weiter verschärfen“, schreibt Böhm. Apothekerinnen und Apotheker sehen ihren Berufsstand durch das Vorhaben der Apotheke ohne Approbierte abgewertet. Mehr als ein Jahrzehnt wurde das Apothekenhonorar nicht erhöht, die Kosten allerdings schon. Zudem würden sich Apotheken bei Digitalisierung allein gelassen fühlen. Aus Sicht der Apotheken werden mit dem ApoRG die eigentlichen Probleme verschlimmert, so Böhm.

Die Branche ist in der Krise, die Situation eskaliert, so Böhm. Wie ernst die Lage ist, zeige das Apothekensterben und die damit unter dem europäischen Durchschnitt liegende Zahl der Apothekendichte. Viele Apotheken stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Die im ApoRG geplanten Maßnahmen greifen zu kurz, gar nicht oder könnten laut Böhm zu mehr Instabilität führen.

Light-Apotheke ist Leistungskürzung

Ein Beispiel sei die Apotheke ohne Approbierte, die eine Leistungskürzung zur Folge haben wird. Die Apotheke light ist eine Mogelpackung, so Böhm. Der vermeintliche Nutzen gehe zulasten der Versorgungsqualität, insbesondere in der Beratung.

„Zwar gibt es Ansätze, Vor-Ort-Apotheken durch zusätzliche Vergütungen für erweiterte Dienstleistungen wie Impfungen zu unterstützen, doch viele sehen dies als einen Tropfen auf den heißen Stein“, schreibt der Noventi-Vorstand. Die Einnahmen würden oft nicht reichen, die steigenden Betriebskosten zu decken. Zudem führe die Honorarumverteilung, keineswegs zu einer echten finanziellen Entlastung.

Fixum: 14 Euro besser als 12 Euro

„Vielen Apotheken droht ohne die nötige Unterstützung das Aus“, warnt Böhm. „Um die finanziellen und strukturellen Probleme wirklich anzugehen, braucht es eine Erhöhung des Fixhonorars auf zwölf Euro, besser sogar 14 Euro, echte Wertschätzung des Berufsstands, Entlastung bei bürokratischen Aufgaben und gleiche Bedingungen im Wettbewerb mit ausländischen Versandapotheken.“

Apotheken dürfen sich Digitalisierung nicht verschließen

Doch Böhm sieht auch Positives in der BMG-Plänen. Digitalisierung sei ein Treiber der Modernisierung und Effizienzsteigerung. „Die Digitalisierung kann Apotheken entlasten und die Versorgungsqualität steigern.“ Zudem würden E-Rezept und digitale Abrechnungssysteme helfen, Arbeitsprozesse zu optimieren und bürokratische Hürden abzubauen. Doch die Digitalisierung darf nicht zum Bürokratiemonster werden, gibt Böhm zu bedenken.

„Die Politik muss praxisorientierte Lösungen schaffen, die Apotheken entlasten statt belasten.“ Der TI-Ausbau, die Einführung des E-Rezepts und die Förderung verlässlicher Hard- und Software sind Schritte in die richtige Richtung. „Apothekerinnen und Apotheker dürfen sich dem Fortschritt nicht verschließen. Nur so können positive Innovationen entstehen, die die wirtschaftliche Stabilität der Apothekerschaft sicherstellen und die flächendeckende Gesundheitsversorgung ermöglichen“, lautet Böhms Appell.

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