Apothekenhonorar

BMWi: Erst Rx-Versandverbot, dann Honorar Lothar Klein, 04.06.2018 14:02 Uhr

Berlin - 

Mit einem Positionspapier zum Apothekenmarkt hat der GKV-Spitzenverband die Apothekerschaft provoziert. Darin fordern die Kassen eine Kürzung des Apothekenhonorars um eine Milliarde Euro. Das für das Apothekenhonorar zuständige Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) von CDU-Minister Peter Altmaier will derzeit aber keine Honorar-Initiative ergreifen. Zunächst müsse die Entscheidung zum Rx-Versandverbot abgewartet werden, erklärte das Ministerium gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode enthalte die Vereinbarung, dass sich die Koalition für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einsetze, um die Apotheken vor Ort zu stärken. „Bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags wird sich das BMWi konstruktiv einbringen. Die Zuständigkeit für die Arzneimittelversorgung und das Apothekenwesen liegt jedoch beim BMG“, so eine Sprecherin. Fragen der Anpassung und Fortentwicklung der Vergütung der Apotheken seien eng verknüpft mit Maßnahmen, die den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beträfen. „Daher gilt es, diese Maßnahmen zunächst abzuwarten, bevor eventuell weitere Schritte mit Blick auf die Vergütung der Apotheken folgen werden“, erklärte das BMWi.

Eigentlich wollte APOTHEKE ADHOC vom neuen Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU) dessen persönliche Meinung zum Rx-Versandverbot in Erfahrung bringen. Denn Bareiß hatte am Pfingstwochenende offenbar mit einer „Männergrippe“ zu kämpfen und deshalb eine Apotheke aufgesucht. Auf Facebook zeigte sich Bareiß anschließend voll des Lobes über Apotheken: „Man hofft immer, dass man es nicht in Anspruch nehmen muss. Aber wenn man einmal einen Arzt oder Apotheke braucht, dann ist man gerade am Wochenende sehr froh, dass es Menschen gibt, die auch am Pfingstwochenende da sind. Auch wenn es nur ein „Männerschnupfen“ ist. Herzlichen Dank für eure Arbeit“, postete Bareiß mit dem Foto einer Apotheke.

Martin Buck, Inhaber der Vital-Apotheke in Saulgau, antwortetet Bareiß: „Danke Herr Bareiß. Inzwischen hatten wir heute über 90 Kunden hier zuzüglich telefonischer Beratungen und auch heute Nacht sind wir gerne für alle da, während die Familie zu Hause ohne Vater den Pfingstsonntag verbringt. Jedem einzelnen Patienten zu helfen, motiviert aufs Neue – aber hierfür auch politische Anerkennung zu erfahren, das tut richtig gut! Auch von meiner Seite aus gute Besserung!“ Und Tatjana Buck, Mitarbeiterin in der Apotheke, ergänzte: „Sehr geehrter Herr Bareiß, die Apotheken vor Ort sind gerne für Sie und all die anderen großen und kleinen Patienten/innen da. Daher unterstützen Sie das NEIN zum Rx-Versand und JA zum Verbot. Damit wir Ihnen auch in Zukunft bei ernsten Männerkrankheiten helfen können. Gute Besserung!“

Aus der politischen Reserve locken ließ sich Bareiß gleichwohl nicht: Die Anfrage von APOTHEKE ADHOC an sein Abgeordnetenbüro lenkte dieses an das BMWi weiter. „Ein Statement von Herrn Bareiß können wir Ihnen leider nicht anbieten“, reagierte das Ministerium abwehrend.

Dafür haben die Kassen erneut Öl ins Feuer der Diskussion über die Zukunft der Apothekenlandschaft gegossen. In einem Positionspapier fordert der GKV-Spitzenverband eine Kürzung des Apothekenhonorars um eine Milliarde Euro und wiederholt seine Forderung nach Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots sowie seine Ablehnung eines Rx-Versandverbots. Der GKV-Spitzenverband will das Papier mit dem Titel „Neuordnung der Apothekenstrukturen und -vergütung“ am kommenden Mittwoch auf seiner Verwaltungsratssitzung verabschieden. Das Papier stammt dem Vernehmen nach ursprünglich aus dem Lager der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK).

Die Arzneimittelversorgung erfolge heute „sicher und flächendeckend“, heißt es darin. Allerdings dominierten die „althergebrachten Apothekenstrukturen“ unverändert. Der Entwicklungsstillstand lasse damit die Chancen von innovativen und flexibleren Ansätzen in der Versorgung weitgehend ungenutzt. „In Zeiten einer zunehmenden Digitalisierung müssen neue Wege in der pharmazeutischen Versorgung eröffnet werden. Die vorhandenen Potenziale ungenutzt zu lassen oder gar einzuschränken, würde einen Rückschritt bedeuten“, so das Papier.

Mit dem Arzneimittelversandhandel seien die starren Strukturen im Apothekenbereich ansatzweise geöffnet und damit die Versorgung vor allem für mobilitätseingeschränkte Patienten, aber auch in strukturschwächeren Regionen erheblich erleichtert worden: „Diese Erleichterung durch ein Versandhandelsverbot zurückzudrehen, ginge in die falsche Richtung. Stattdessen muss eine weitere Flexibilisierung erfolgen, um die Arzneimittelversorgung der Versicherten in Deutschland auch in Zukunft mit hoher Qualität und wirtschaftlich effizient sicher zu stellen.“

Tatsächlich habe sich gezeigt, dass im Handel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven bestünden. Eine leistungsgerechte Vergütung und Flexibilisierung der Versorgungsstruktur bei der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln sei vor diesem Hintergrund überfällig. Insbesondere böten sich wettbewerbliche Instrumente an, um diese ökonomischen Ressourcen der Versichertengemeinschaft zugute kommen zu lassen. In den letzten Jahren hätten vor allem Honorarforderungen der Apothekerschaft und weniger die Verbesserung der Patientenversorgung im Vordergrund gestanden.

Das BMWi-Gutachten bestätige die Vermutung, dass einige Leistungen teilweise deutlich überfinanziert seien. Selbst bei einer Erhöhung anderer Vergütungsbestandteile, wie der Nacht- und Notdienstpauschale, könne die Umsetzung einer leistungsbezogenen und kostendeckenden Vergütung die Ausgaben der Kassen und Selbstzahler für rezeptpflichtige Arzneimittel „um mehr als 1 Milliarde Euro“ gesenkt werden. Auch die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes sowie weiterer überholter Regelungen ist aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes „dringend geboten“. Dies ermögliche neue flexible Vertriebswege und böte den Patienten die Chance auf bedarfsgerechte Angebotsstrukturen. Zudem würden durch einen damit entstehenden stärkeren Wettbewerb Anreize für eine intensivere Beratung und die Entwicklung neuer patientenorientierter Versorgungsformen gesetzt. Für ein Verbot von Pick-up-Stellen bestehe keine Notwendigkeit.