BMJ: Pick up sichert Versorgung Alexander Müller, 04.06.2009 13:28 Uhr
Das Bundesjustizministerium (BMJ) bleibt dabei: Ein Verbot von Pick up-Stellen ist aus Sicht des Ministeriums nicht durchsetzbar. In einer Stellungnahme zur AMG-Novelle an das Bundesgesundheitsministerium hat das BMJ bekräftigt, dass selbst ein Rezeptsammelverbot in Gewerbebetrieben „verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbar sein dürfte“. Eine Einschränkung der Berufsfreiheit der Versandapotheker sei nicht zu rechtfertigen, heißt es in dem Schreiben.
Das Justizministerium hatte zu einem Gutachten von Professor Dr. Rüdiger Zuck Stellung bezogen, das die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in Auftrag gegeben hatte. Der Stuttgarter Verfassungsrechtler kommt zu dem Schluss: „Das Verbot von Pick-up-Stellen für apothekenpflichtige Arzneimittel ist verfassungsrechtlich zulässig.“
Das BMJ unter der Leitung von Brigitte Zypries (SPD) war von den Argumenten des Juristen nicht überzeugt: „Der offenbar beabsichtigte Schutz der traditionellen Apotheke vor Konkurrenz ist kein schützenswerter Grund.“ Es bleibe zudem unerörtert, was niedergelassene Apotheken den Versandapotheken in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit voraushaben, so das Ministerium.
Das stimmt nicht, denn Zuck hatte die flächendeckende Akutversorgung ausdrücklich der Arzneimittelsicherheit zugeordnet. Im Ministerium traut man offenbar auch Pick up-Stellen zu, die Versorgung zu gewährleisten: „Sollte die Befürchtung des Gutachtens zutreffen, dass die Pick-up-Stellen die traditionellen Apotheken verdrängen, stünden die Pick-up-Stellen zugleich als eine neue Säule der flächendeckenden Arzneimittelversorgung zur Verfügung.“ Gemeint ist die Netzdichte der Drogeriemärkte.
Ein Apothekensterben ist durch Pick up-Stellen aus Sicht des BMJ nicht zu erwarten. Schließlich sei der Versandhandel mit Arzneimitteln schon seit 2003 erlaubt, ohne dass sich seither die Zahl der niedergelassenen Apotheken verringert habe. Das Bundesverfassungsgericht würde im Falle einer Verfassungsbeschwerde durch Pick up-Betreiber diese Entwicklung mit Sicherheit abfragen, gibt das Ministerium zu bedenken.
Zuck hatte in seinem Gutachten zudem auf die Gefahr einer Trivialisierung des Arzneimittels abgestellt. Das Ministerium kann dies nicht erkennen: „Hier werden freilich Situationen an die Wand gemalt, die derzeit so gar nicht bestehen, denn gegenwärtig sind Pick-up-Stellen in Tankstellen, Kiosken oder bei der Post gar nicht vorhanden“, schrieb das BMJ am 19. Mai. Keine sehr aktuelle Einschätzung, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ein Apotheker aus Niedersachsen sein Pick up-Modell bereits in vier Tankstellen gestartet, eine Kollegin aus dem Saarland lieferte seit Wochen über einen Blumenladen und eine Textilreinigung.
Ein „Wildwuchs von Bestell- und Abholservices für Arzneimittel“ ist nach Angaben von Rolf Schwanitz (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im BMG, auch seinem Ministerium ein Dorn im Auge. Welchen Einfluss die aktuellen Entwicklungen, Gutachten und Stellungnahmen auf die politische Willensbildung in Sachen Pick up haben werden, dürfte sich spätestens am 17. Juni zeigen: Dann soll die AMG-Novelle im Gesundheitsausschuss des Bundestages abschließend behandelt werden.