BMG: Weniger Ärzte arbeiten für Pharma-Studien Lothar Klein, 02.09.2020 07:04 Uhr
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen im Mai 2016 ist die Anzahl der an Anwendungsbeobachtungen (AWB) teilnehmenden Ärzte deutlich gesunken. Das geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf eine Anfrage der Fraktion der Grünen hervor. Über die bereits vorgenommen Maßnahmen sieht die Bundesregierung daher keinen Anlass, die Vorschriften zu verschärfen. Im Übrigen hält das BMG die Zusammenarbeit von Pharmaunternehmen und Ärzten für sinnvoll.
Nach Angaben des BMG ist die Anzahl der an AWB teilnehmenden Ärzte auf nur noch 1,96 Prozent der Ärzteschaft gesunken. Vor Inkrafttreten des Anti-Korruptionsgesetzes betrug dieser Anteil 4,64 Prozent. Laut BMG haben sich 2019 7900 Ärzte an AWB beteiligt, davon 5500 niedergelassene Ärzte und 2400 Krankenhausärzte. Im Jahr 2014 haben sich dagegen noch knapp 17.000 Ärzte an AWB beteiligt. Das von der Fraktion der Grünen in der Anfrage genannten Honorar pro Patient von 669 Euro für die Beteiligung kann das BMG in seiner Antwort nicht bestätigen. Nach Angaben des BMG betrug das durchschnittliche Honorar im Jahr 2019 360 Euro. 2014 265 Euro bei einer durchschnittlichen AWB-Laufzeit von drei Jahren.
Nach Angaben der KBV entspricht das genannte durchschnittliche Honorar von 669 Euro pro Patient damit nicht dem ausgezahlten und gemeldeten durchschnittlichen Honorar. Entschädigungen der Ärzte seien laut Gesetz so zu bemessen, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entstehe. Sofern beteiligte Ärzte Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbrächten, seien bei den Anzeigen der Untersuchungen auch die Art und die Höhe der jeweils an sie tatsächlich geleisteten Entschädigungen anzugeben sowie jeweils eine Ausfertigung der mit ihnen geschlossenen Verträge und jeweils eine Darstellung des Aufwandes für die beteiligten Ärzte und eine Begründung für die Angemessenheit der Entschädigung zu übermitteln.
Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut lägen zudem keine belastbaren Daten dafür vor, dass es durch eine Teilnahme an AWB von Ärzten, die Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, zu einer Fehl- oder Übermedikation gekommen sei. Da der Einsatz eines Arzneimittels im Rahmen von AWB nur bestimmungsgemäß, innerhalb der zulässigen Anwendung gemäß der entsprechenden Fachinformation erfolge, sei grundsätzlich nicht von einem zusätzlichen Risiko auszugehen, das über das zu erwartende Risiko im Rahmen der üblichen und zulassungskonformen Anwendung in der ärztlichen Praxis hinausgehe. „Forschung zur Arzneimitteltherapiesicherheit ist notwendig und wird im Rahmen des Aktionsplans Arzneimitteltherapiesicherheit gefördert. Nach derzeitiger Datenlage besteht aus Sicht der Bundesregierung kein spezifischer Forschungsbedarf zur Arzneimittelsicherheit einschließlich des Risikos von Fehl- und Übermedikation im Rahmen von AWB“, so das BMG.
Auch eine erhöhte finanzielle Belastung der Krankenkassen aufgrund von AWB sei nicht erkennbar. AWB seien vielmehr dazu bestimmt, Erkenntnisse bei der routinemäßigen Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel durch Ärzte bei Patienten zu sammeln. „Mit ihrer Hilfe können Erkenntnisse über zugelassene oder registrierte Arzneimittel gewonnen werden“, so das BMG. Durch verschiedene gesetzliche Regelungen seien in den letzten Jahren, zuletzt durch Änderungen des AMG durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), die Voraussetzungen für mehr Transparenz bei der Durchführung von AWB, für eine Verbesserung der Qualität der AWB und für die Verhinderung eines Missbrauchs zu Marketingzwecken geschaffen worden. BMG: „Weitere gesetzliche Regelungen sind derzeit nicht geplant.“
Dem BMG liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele Arzneimuster Pharmareferenten bei ihren Praxisbesuchen abgeben. Das BMG erinnert aber in seiner Antwort an die gesetzlichen Vorgaben: Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ärzte nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen.
Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern seien gesondert für jeden Empfänger von den pharmazeutischen Unternehmern Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen. Für die Überwachung der Einhaltung dieser Vorgaben seien die Behörden der Länder zuständig.