Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) darf künftig nicht mehr gegen fachliche Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aus Kassen, Ärzten und Krankenhäusern vorgehen. Das Bundessozialgericht (BGS) in Kassel hat der Bundesregierung am Mittwoch zwar noch die Rechtsaufsicht über die Selbstverwaltung des Gesundheitswesens zugebilligt, ihr eine Fachaufsicht aber abgesprochen.
Das lasse sich zwar aus den Gesetzen nicht eindeutig entnehmen, ergebe sich aber aus Rolle und Funktion des G-BA. Könnte das Ministerium selbst alle Einzelheiten festlegen „und damit die Gestaltungsfreiheit des G-BA aushöhlen“, würde das die Frage nach dem Sinn der Selbstverwaltung aufwerfen, sagte Bundesrichter Ulrich Wenner in seiner Urteilsbegründung.
Der Streit, der jetzt zum Urteil von Deutschlands höchsten Sozialrichtern führte, hatte sich an der Protonentherapie entzündet. Diese ist bei der Bekämpfung von Krebs punktgenauer als die übliche Photonentherapie, aber auch doppelt so teuer. Deshalb hatte der G-BA die Protonentherapie bei einigen Krebsarten zwar zugelassen, bei Brustkrebs aber aus dem Katalog der Kassen genommen. Das BMG war gerichtlich dagegen vorgegangen.
„Wir wollen eine Lanze für den Fortschritt brechen“, sagte der Anwalt des Ministeriums. „Hätten sich die Beteiligten 1981 so verhalten wie jetzt der G-BA, gäbe es heute keine Kernspintomographie, die nun jeder als Segen für die Medizin sieht.“
G-BA-Chef Dr. Rainer Hess hatte hingegen argumentiert, Fortschritt sei nicht alles, „er muss auch finanzierbar sein“. Bei Kosten von 150 Millionen Euro je Therapiezentrum ohne wirkliche Belege für die Vorteile, müsse sich sein Gremium fragen: „Ist das wirklich sinnvoll, oder ist das nur ein Add On, das viel Geld kostet.“ Zur Selbstverwaltung gehörten auch solche Entscheidungen. „Sonst könnten wir nur noch Empfehlungen abgeben und wären eigentlich überflüssig.“
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