Hinterzimmer-Lobbyismus

BMG: Terminmonopol für die Kassen?

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Berlin -

Bereits im vergangenen Herbst sorgte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) für Schlagzeilen: Die im Medizinforschungsgesetz (MFG) vorgesehenen vertraulichen Erstattungspreise sollen auf Druck des Pharmakonzerns Eli Lilly ins Gesetz aufgenommen worden sein. Nun legen Medienberichte nahe, dass auch die Krankenkassen direkten Einfluss auf das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) genommen haben sollen. Das BMG bestreitet die Vorwürfe.

Laut einer Recherche des Magazins „Business Insider“ fanden im BMG zwischen April und Juni 2024 vier vertrauliche Gespräche mit Vertretern der Techniker Krankenkasse (TK) und des GKV-Spitzenverbandes statt. In direkter Folge dieser Gespräche wurde der Paragraf § 370c in den Entwurf des GDAG aufgenommen. Dieser sollte den Krankenkassen mehr Mitsprache bei der digitalen Terminvergabe ermöglichen, insbesondere in Bezug auf einen „bedarfsgerechten und diskriminierungsfreien Zugang“ zu Terminbuchungsplattformen unter „Ausschluss einer kommerziellen Drittnutzung des Terminbuchungsprozesses“.

Kurz darauf veröffentlichte der GKV-Spitzenverband ein Positionspapier, das fordert, bis zu 75 Prozent aller Arzttermine über eine zentrale Plattform zu vermitteln, auf die auch die Krankenkassen direkten Zugriff erhalten sollen. Schon damals reagierten die betroffenen privatwirtschaftlichen Softwarehäuser empört.

BMG: Austausch notwendig

Mit den Vorwürfen konfrontiert erklärte ein Sprecher des BMG: „Den Vorwurf weisen wir mit Nachdruck zurück. Der Austausch mit den Betroffenen einer geplanten Gesetzesänderung ist nicht nur üblich sondern auch notwendig.“ Bei den Treffen seien lediglich die die Überlegungen und Positionen des GKV-Spitzenverbandes zur Terminvermittlung und zum Einsatz digitaler Terminvermittlungsplattformen vorgestellt worden, so der Sprecher weiter.

Das BMG habe mit dem Entwurf versucht, das Vertrauen in die Datenschutzkonformität und Qualität digitaler Plattformen zu stärken, wobei die Terminvergabe grundsätzlich diskriminierungsfrei und bedarfsorientiert erfolgen solle, etwa nach Alter oder Vorerkrankungen. „Der Entwurf enthält keine weitergehenden Vorgaben etwa zu Mindestquoten digital zu vermittelnder oder zu meldender Termine, wie in anderen Vorschlägen diskutiert wurde“, so der Sprecher.

Auf die Nachfrage, inwieweit auch Ärzteverbände, Patientenvertretungen oder andere Akteure in die Entscheidungsfindung einbezogen worden seien und wie das BMG sicherstelle, dass die Terminvergabe nicht einseitig durch die Krankenkassen beeinflusst werde, gab das BMG auch nach wiederholter Nachfrage keine Antwort.

Hausärzte fordern Transparenz

„Das Ziel der Krankenkassen ist klar: Sie wollen die Hoheit über die Terminvergabe in den Arztpraxen erlangen und damit direkt in unsere Praxen hineinregieren“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands (Virchowbund). Vertreter der betroffenen Ärzteschaft blieben bei diesen Gesprächen außen vor. „Dass dieses Vorhaben über Hinterzimmer-Lobbyismus beinahe gelungen wäre, ist der eigentliche Skandal.“

Das Thema der Terminvergabe wirke zwar auf den ersten Blick harmlos, sei aber ein folgenschweren Eingriff. Denn da die Praxen niedergelassener Ärzte im Eigentum der Ärzte seien und diese Verträge mit den Systemen der gesetzlichen Krankenkassen hätten, wäre ein Eingriff in die Terminvergabe gleichzeitig ein Eingriff in die private Praxisorganisation und damit auch ein Angriff auf das Eigentum der Praxisinhaber. „Dies ist die aus unserer Sicht verfassungswidrig. Wir werden uns gegen derartige Angriffe auf unser Eigentum nötigenfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen“, erklärt Dr. Heinrich.

Kassen nicht im Lobby-Register

„Das ist genau der Minister, der die Akteure, die sich im Gesundheitswesen um die Versorgung kümmern, als Lobbyisten bezeichnet, während er den wahren Lobbyisten in den Hinterzimmern des BMG den Weg ins Gesetzgebungsverfahren bereitet“, kritisiert Heinrich.

Ein weiteres Problem sei, dass Berufsverbände, die in Berlin Interessenvertretung betreiben, ihre Aktivitäten im Lobbyregister des Bundestages offenlegen müssten. Die Krankenkassen hingegen seien von dieser Verpflichtung ausgenommen. „Ich fordere die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas auf, das Lobbyregister zukünftig auch auf die Krankenkassen, andere Körperschaften und Gewerkschaften auszuweiten“, fordert Heinrich. Diese Regelungslücke führe nicht nur zu Ungerechtigkeiten, sondern zu mehr Intransparenz, weil so „große Player“ im System weiterhin im Dunkeln agieren könnten.

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