Arzneimittelausgaben stark gewachsen

BMG: Plus 60 Prozent bei Versendern

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Berlin -

Im vergangenen Jahr sind die Ausgaben der Krankenkassen stark gewachsen, wie Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zeigen. Spitzenreiter sind die Kliniken, bei denen es alleine im 4. Quartal einen Zuwachs gab wie frührer in einem ganzen Jahr. Auch die Arzneimittelkosten haben wegen des gesunkenen Herstellerrabatts deutlich zugelegt. Und auffällig ist das Plus bei den Versandapotheken.

Den Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 320,6 Milliarden Euro standen Ausgaben in Höhe von 326,9 Milliarden Euro gegenüber. Damit weisen die Kassen laut den vorläufigen Finanzergebnissen ein Defizit von rund 6,2 Milliarden Euro aus – und dies obwohl durch die Absenkung der Obergrenze der Liquiditätsreserve rund 3,1 Milliarden Euro vom Gesundheitsfonds ausgeschüttet wurden, um die Zusatzbeitragssätze der Kassen zu stabilisieren.

Der Gesundheitsfonds verzeichnete entsprechend ebenfalls ein Defizit in Höhe von 3,7 Milliarden Euro; die Liquiditätsreserve betrug am 15. Januar noch rund 5,7 Milliarden Euro. Immerhin: Die Beitragseinnahmen stiegen um 5,6 Prozent, was laut BMG insbesondere auf inflationsbedingt kräftige Lohnsteigerungen zurückzuführen ist.

Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent einen Zuwachs von 7,7 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 8,1 Prozent auf 311,7 Milliarden Euro, die Verwaltungskosten reduzierten sich um 0,6 Prozent auf 12,7 Milliarden Euro.

Viele Leistungsbereiche legten gegenüber dem langjährigen Schnitt deutlich stärker zu, was laut BMG insbesondere an der in der GKV zeitlich nachgelagert wirkenden Inflation liegt, welche 2024 für hohe Preis- und Vergütungsanpassungen sorgte. In absoluten Zahlen stiegen die Leistungsausgaben und Nettoverwaltungskosten der Krankenkassen um 23,3 Milliarden Euro.

Kliniken: 101,7 Milliarden Euro, plus 8,1 Milliarden Euro bzw. 8,7 Prozent

Im 4. Quartal betrug das Wachstum 11,1 Prozent, entsprechend 2,7 Milliarden Euro. Der Zuwachs lag damit höher als der in den Gesamtjahren 2022, 2020 und 2018. Die Pflegepersonalkosten wuchsen um 2,6 Milliarden Euro (13,1 Prozent).

Arzneimittel: 55,3 Milliarden Euro, plus 5 Milliarden Euro bzw. 9,9 Prozent

Ohne Berücksichtigung des gesunkenen Herstellerrabatts wuchsen die Aufwendungen für Arzneimittel (ohne Rabatte) um rund 7 Prozent; laut BMG der stärkste Anstieg seit mehr als zehn Jahren. Hervorzuheben ist laut BMG die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV); hier stiegen die Leistungsausgaben für Arzneimittel um rund 30 Prozent 723 Millionen Euro. Auch die Arznei- und Verbandmittel aus Versandhandel entwickelten sich sehr dynamisch (plus 246 Millionen Euro bzw. 59,7 Prozent).

Ärztliche Behandlung: 50,1 Milliarden Euro, plus 3 Milliarden Euro bzw. 6,3 Prozent

Stark überdurchschnittlich wuchsen dabei die Aufwendungen für die ASV (plus 119 Millionen Euro bzw. 24,7 Prozent), in der hausarztzentrierten Versorgung (plus 214 Millionen Euro bzw. 11,2 Prozent), für die ärztliche Behandlung in Hochschulambulanzen (plus 139 Millionen Euro bzw. 10,7 Prozent), die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (plus 126 Millionen Euro bzw. 16,7 Prozent) sowie für ärztliche Leistungen im Rahmen der integrierten Versorgung (plus 127 Millionen Euro bzw. 10,1 Prozent). Ohne diese Bereiche entwickelte sich der ärztliche Bereich mit plus 2,2 Milliarden Euro (plus 5,4 Prozent).

Viele kleine und mittlere Leistungsbereiche verzeichneten laut BMG ebenfalls ein äußerst dynamisches Ausgabenwachstum. Dem stünden nur wenige Bereiche mit einem moderaten Wachstum gegenüber, etwa zahnärztliche Behandlungen und Zahnersatz. Einen kräftigen Schub gab es bei der Ambulantisierung, wo die Krankenkassen im ersten Jahr der Hybrid-DRG bereits Ausgaben in Höhe von rund 563 Millionen Euro verbuchten. Davon entfällt mit 432 Millionen Euro ein Großteil auf die Krankenhäuser, die starke Rückgänge bei den entsprechenden vollstationären DRG-Abrechnungspositionen verzeichnen.

Kliniken sind mit Abstand die größte Ausgabenposition.Grafik: BMG

Bei der Interpretation der vorläufigen Rechnungsergebnisse ist laut BMG zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, zu einem gewissen Grad noch von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum häufig nur teilweise vorliegen. Auch die Aufwendungen für das Pflegebudget im Krankenhaus sind aufgrund der für einen Teil der Krankenhäuser noch nicht vorliegenden Abschlüsse der Verhandlungspartner vor Ort teilweise von Schätzungen geprägt.

„Das hohe Defizit der Krankenkassen in 2024 und der starke Anstieg der Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn sind nicht nur Ergebnis eines inflationsbedingt hohen Anstiegs der Ausgaben für Personal und medizinische Leistungen. Sie sind auch darauf zurückzuführen, dass in den vergangenen Legislaturperioden versäumt wurde, das Gesundheitssystem zu modernisieren und die Strukturen für die Zukunft fit zu machen“, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der Schlüssel zu stabilen GKV-Finanzen seien tiefgreifende Strukturreformen des Gesundheitswesens.

Deswegen sei es richtig gewesen, mit dem Digitalgesetz und der Krankenhausreform fundamentale Veränderungen angestoßen und wichtige Modernisierungsimpulse gesetzt zu haben. „Ergänzend dazu müssen wir gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie etwa die medizinische Versorgung von Bürgergeldbeziehenden kostendeckend aus Steuer- und nicht aus Beitragsmitteln finanzieren. Auch der Bundeszuschuss zur pauschalen Abgeltung versicherungsfremder Leistungen, der seit 2017 nicht mehr angehoben wurde, sollte regelhaft dynamisiert werden, um einer weiteren Entwertung entgegenzuwirken. Wir müssen verhindern, dass die Beitragssätze weiter steigen. Dafür müssen die Strukturreformen weiter umgesetzt und mehr Steuermittel in die Hand genommen werden.“

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