Mit den Berichten über seltene, aber teils schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfung von AstraZeneca wurde auch die Frage nach der Haftung bei Imfpschäden immer virulenter. Erst sollte laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) niemand über 65 Jahren mit Vaxzevria geimpft werden, dann niemand mehr unter 60. Wer haftet also, wenn außerhalb der Empfehlung auf eigenes Risiko geimpft wird?
Vorab gilt, dass für Impfschäden die Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts nach dem Bundesversorgungsgesetz gelten. „Wer durch eine von der obersten Landesgesundheitsbehörde öffentlich empfohlenen Schutzimpfung einen Impfschaden erlitten hat, erhält auf Antrag eine Versorgung vom Land“, erklärt das BMG dazu. Treten die bekannten Impfschäden auf, haften die Länder, wenn sie eine Vaxzevria-Impfung auf Grundlage des Stiko-Beschlusses empfohlen haben. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurde die Stiko-Empfehlung per Runderlass des dortigen Gesundheitsministeriums zur öffentlichen Empfehlung erklärt.
Dabei umfasst die Haftung der Länder bei Vaxzevria nicht nur die empfohlenen Impfungen von Patienten ab 60 Jahren, sondern auch solche, die „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ bei unter 60-Jährigen durchgeführt werden, so das BMG. Allerdings seien aufgrund verschiedener gesetzlicher Grundlagen auch Fallkonstellationen möglich, bei denen eine Haftung unter anderem des pharmazeutischen Unternehmens aufgrund in Betracht kommt. „Haftungsregelungen können sich ergeben aus dem Arzneimittelrecht, dem Produkthaftungsgesetz sowie den allgemeinen Haftungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs“, so das BMG.
Nach Arzneimittelrecht ergibt sich diese Haftung aus §84 Arzneimittelgesetz (AMG). Demnach „haftet der pharmazeutische Unternehmer bei Gesundheitsbeeinträchtigungen des Geimpften, wenn sein Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen, oder der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist“, wie der Deutsche Hausärzteverband schreibt.
Es müsste demnach also beispielsweise geprüft werden, ob die Ursache für den Impfschaden bereits in der Fachinformation aufgeführt wird oder nicht. Allerdings wurde das Risiko für Sinusvenenthrombosen aufgrund der EMA-Empfehlung bei Vaxzevria bereits dort aufgenommen – eine Haftung AstraZenecas dürfte in diesem Fall also nicht gegeben sein. Ebenso sieht es für den Haftungsfall aus, bei dem der jeweilige Hersteller „Warnungen vor Gesundheitsschäden unterlässt, die aufgrund eines nicht dringenden, aber ernstzunehmenden Verdachts eintreten können“.
Ärzte, die gegen Corona impfen, müssen sich also keine großen Sorgen wegen möglicher haftungsrechtlicher Konsequenzen machen. Allerdings gibt es dabei Unterschiede zwischen der Tätigkeit in Impfzentren und in der eigenen Praxis: „Alle Ärzte und ärztlichen Leiter sind – unabhängig vom Vorliegen eines Honorarvertrages – bei ihrer Tätigkeit in den Impfzentren und/oder den mobilen Einheiten im Zusammenhang mit der Impfung gegen das Coronavirus nach den jeweils gültigen Empfehlungen der Stiko sowie mit allen in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 über die sogenannte Staatshaftung abgesichert“, erklärt dazu die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO). Durch Staatshaftung werden die Ärzte von allen Ansprüchen Dritter freigestellt – die müssten ihre Ansprüche direkt ans Land stellen. Das Land NRW wiederum hat, vertreten durch sein Gesundheitsministerium, dafür eigens eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, die alle in den Impfzentren und den zugehörigen mobilen Impfteams mit Tätigkeiten im Rahmen der Corona-Schutzimpfung beauftragten Personen umfasst – also nicht nur Ärzte, sondern auch Apotheker, PTA, MTA, MFA, Pfleger, Medizin- oder Pharmaziestudenten und so weiter.
Etwas anders sieht es bei Impfungen in den eigenen Praxen aus: Hier gelten im Gegensatz zum Impfzentrum und den mobilen Einheiten die gängigen Haftungsregelungen. „Die Durchführung der Corona-Schutzimpfung stellt eine Heilbehandlung dar, auf die der Patient einen Anspruch hat und durch die ein Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient zustande kommt“, so die KVNO. Die Heilbehandlung müsse nach den zu ihrem Zeitpunkt bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgen. „Im Schadensfall muss deshalb die eigene Berufshaftpflichtversicherung des impfenden Arztes in Anspruch genommen werden.“
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