Die Bundesregierung hält beim Anschluss der Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI) trotz wachsender Kritik an der Frist zum 30. September fest. Das geht auf der Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor. Die zeigt sich mit dem Stand des TI-Anschlusses alles andere als zufrieden.
„Die Einführung der Telematikinfrastruktur und der elektronischen Gesundheitskarte ist eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen“, kritisiert FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg, unter dessen Federführung die Anfrage entstand. Ein Blick in die Ärzteschaft zeigt, was er damit meint: Nicht nur mussten sich die frisch angeschlossenen Ärzte diesen Sommer wochenlang mit massiven Ausfällen ihrer Konnektoren herumschlagen, auch der Anschluss selbst ist nach wie vor nicht abschließend umgesetzt. Derzeit seien 144.000 von 186.000, also rund 86 Prozent der niedergelassen Ärzte und Zahnärzte an die TI angeschlossen, teilt das BMG auf Schinnenburgs Frage nach den Zahlen mit. Zu den Apotheken scheinen noch keine Zahlen vorzuliegen, das BMG verweist nur darauf, dass der Anschluss „schwerpunktmäßig im zweiten Halbjahr 2020 vorgesehen“ sei.
So vage die Formulierung zum aktuellen Stand ist, so klar ist die Aussage zur Anschlussfrist: „Die Bundesregierung hält an dem Ziel fest, bis zum 30. September 2020 alle Apotheken an die Telematikinfrastruktur anzuschließen und damit die Basis für die Nutzung der Dienste zum elektronischen Medikationsplan, zur Kommunikation im Medizinwesen (KIM) und zukünftig für das elektronische Rezept zu schaffen“, so das BMG. „Eine Verlängerung der Frist ist derzeit nicht geplant.“
Dabei kommen aus unterschiedlichen Ecken der Republik zunehmend Zweifel an dieser Auffassung. Vor allem Probleme bei der Ausgabe der Heilberufsausweise und Insitutionenkarten durch die Kammern – unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin – lassen in den Standesvertretungen die Kritik an der Frist lauter werden. „Ich glaube, dass fast keiner mehr davon ausgeht, dass der 30. September bundesweit haltbar ist. Bei der Kartenausgabe könnte das noch funktionieren, aber die IT-Dienstleister müssen ja noch über 19.000 Apotheken mit Konnektoren beglücken. Es würde mich sehr wundern, wenn das bis dahin klappt“, erklärte die Berliner Kammerpräsidentin Dr. Kerstin Kemmritz bereits Ende Mai. Dem vorangegangen waren Gespräche mit anderen Kammerpräsidenten, die von erheblichen technischen Problemen bei der Ausgabe der Karten berichtet hatten.
Schinnenburg und seine Fraktionskollegen haben in ihrer Anfrage aber nicht nur auf die Nöte der Apotheken abgehoben, sondern auch auf „konkurrierende Leistungserbringer“ wie Sanitätshäuser. Denn die müssen noch nicht an die TI angeschlossen werden. Sie wollten wissen, ob ihnen dadurch Nachteile gegenüber den Apotheken entstehen könnten. „Die Bundesregierung sieht keinen wettbewerbsrelevanten Nachteil für andere Leistungserbringer gegenüber Apotheken“, so die Antwort. Vielmehr liege der spätere Anschluss darin begründet, dass das E-Rezept vorerst nur für Rx-Medikamente und in einem zweiten Schritt Betäubungsmittel gedacht sei.
„Wegen der Beschränkung des Auftrags der Gesellschaft für Telematik zunächst auf apothekenpflichtige Arzneimittel werden elektronische Verschreibungen nicht zugleich für Hilfsmittel verwendet, die in der Apotheke abgegeben werden können“, so das BMG. Zwar solle die TI langfristig auch für die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln genutzt werden. Dazu müssten gemäß SGB 5 aber erst einmal die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband bis Ende 2020 in einem ersten Schritt in den Bundesmantelverträgen die notwendigen Regelungen für die Verwendung von elektronischen Hilfsmittelverordnungen vereinbaren.
Schinnenburg schenkt dieser Erklärung erkennbar wenig Glauben. „Dass ein Anschluss weiterer Leistungserbringer momentan weder finanziell noch organisatorisch bewältigt werden kann zeigt, dass die Technik der Telematikinfrastruktur eine teure und zu komplexe Fehlentwicklung ist“, so der studierte Zahnarzt. Auch die Antwort der Bundesregierung, dass weitere, insbesondere mobile Anwendungen zum Datenabgleich bisher noch nicht angegangen wurden, findet seinen Unmut: „Um die Digitalisierung im Gesundheitssystem voranzubringen, muss die aktuelle Technik durch eine neue ersetzt werden, die flexibler und mobiler ist. So müssen Gesundheitsdaten dort zur Verfügung stehen, wo sie benötigt werden, beispielsweise bei der Notfallbehandlung, und nicht nur dort, wo sich festinstallierte Komponenten der Telematikinfrastruktur befinden.“
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