Ende Juni hat der Bundesrat dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) als letzte parlamentarische Instanz zugestimmt. Morgen tritt es nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Darauf weist das Bundesgesundheitsministerium hin. Auch Apotheken sind davon betroffen: Es geht um den Fahrplan für das elektronische Rezept, um Telemedizin und die Importförderklausel.
In erster Linie aber reagierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit dem GSAV auf den Zyto-Skandal in Bottrop und die Vorwürfe gegen den Arzneimittelhändler Lunapharm. Als Konsequenz sollen Bundes- und Länderbehörden besser zusammenarbeiten und Apotheken sowie Herstellbetriebe stärker kontrolliert werden. Der Bund erhält erweiterte Befugnisse, um für Arzneimittelsicherheit zu sorgen. Informationen über die Hersteller der Wirkstoffe in Arzneimitteln werden in Zukunft öffentlich zur Verfügung gestellt.
Außerdem werden die Krankenkassen verpflichtet, bei Rabattverträgen künftig die Vielfalt der Anbieter zu berücksichtigen. Damit soll Lieferengpässen bei Medikamenten entgegengewirkt werden. Spahn: „Mit dem Gesetz wollen wir die Arzneimittelversorgung besser und sicherer machen. Patientinnen und Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass Arzneimittel ihnen helfen und nicht schaden.“
Hier die Regelungen:
Um die Zusammenarbeit zwischen den Behörden von Bund und Ländern zu verbessern, wird wird eine Informationspflicht über Rückrufe eingeführt. Die Rückrufkompetenzen der zuständigen Bundesoberbehörden werden erweitert. Die Überwachungsbefugnis der Landesbehörden von Betrieben und Einrichtungen, die der Arzneimittelüberwachung unterliegen, wird gestärkt. Die Häufigkeit von Inspektionen wird erhöht. Die Koordinierungsfunktion des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich Instituts (PEI) wird gestärkt. Sie koordinieren unter bestimmten Voraussetzungen Rückrufe auf Ebene der Bundesländer und sollen Versorgungsengpässe verhindern.
Länder müssen die zuständigen Bundesoberbehörden über geplante Inspektionen bei Herstellern von Arzneimitteln und Wirkstoffen in Drittstaaten informieren. Informationen über Wirkstoffhersteller von Fertigarzneimitteln sollen öffentlich gemacht werden. Krankenkassen bekommen Anspruch auf Regress bei Produktmängeln mit Folge eines Rückrufes von Arzneimitteln. Für Versicherte entfällt die Zuzahlung ;bei einer notwendigen Neuverordnung in Folge eines Arzneimittelrückrufs wegen Qualitätsmängeln. Beim Abschluss von Rabattverträgen der Krankenkassen mit den Arzneimittelherstellern soll die Lieferfähigkeit von Arzneimitteln berücksichtigt werden. Die Herstellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel und von Zubereitungen aus menschlichem Gewebe durch Angehörige nichtärztlicher Heilberufe (insbesondere Heilpraktiker) wird erlaubnispflichtig.
Die Selbstverwaltung wird verpflichtet, die notwendigen Regelungen für die Verwendung des elektronischen Rezeptes zu schaffen, Dafür setzt das Gesetz eine Frist von sieben 7 Monaten ab morgen.
Apotheken können verschreibungspflichtige Arzneimittel künftig auch nach einer offensichtlichen ausschließlichen Fernbehandlung abgeben.
Bei der Versorgung mit medizinischem Cannabis ist künftig – nach einmal erfolgter Genehmigung – kein erneuter Antrag bei der Krankenkasse im Falle einer Anpassung der Dosierung oder eines Wechsels der Blütensorte notwendig.
Für Arzneimittel zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Hämophilie (Bluterkrankheit), wird die bisherige Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg (Direktvertrieb des Herstellers mit Ärzten und Krankenhäusern) zurückgenommen. Die Neuregelungen zum Vertriebsweg sowie die entsprechende Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung und des Apothekengesetzes treten am 15.08.2020 in Kraft.
Die Vorgaben für Apotheken zur Abgabe von preisgünstigen Import-Arzneimitteln werden neu geregelt: Die bisherige Preisabstandsgrenze wird durch eine differenziertere Preisabstandsregelung ersetzt. Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und Zytostatika werden wegen besonderer Anforderungen an Transport und Lagerung von dieser Regelung ausgenommen; das Inkrafttreten wird gesondert geregelt. Der GKV-Spitzenverband wird verpflichtet, dem BMG bis Ende 2021 einen umfassenden Bericht vorzulegen.
Sogenannte Biosimilars sollen schneller in die Versorgung kommen. Der G-BA regelt die Details für den Austausch auf Apothekerebene.
Es wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um die Herstellung und Anwendung bestimmter Arzneimittel zu verbieten, soweit es zur Verhütung einer Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier geboten ist. Damit kann das BMG u. a. eine neue Verordnung zum Verbot der Herstellung und der Anwendung von Frischzellen am Menschen erlassen.
Um eine sachgerechte Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherzustellen, wird der G-BA ermächtigt, Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beschließen.
Für nichtzulassungs- oder nichtgenehmigungspflichtige Arzneimittel für neuartige Therapien (Gentherapien) wird eine Dokumentations- und Meldepflicht aller schwerwiegenden Verdachtsfälle von Nebenwirkungen eingeführt. Zudem wird eine ärztliche Anzeigepflicht für die Anwendung dieser Arzneimittel gegenüber der zuständigen Bundesoberbehörde eingeführt. Die Melde- und Anzeigepflichten treten am 15. August 2020 in Kraft.
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