Honorarstreit eskaliert

BMG-Faktenblatt: Ärzte schreiben an Scholz

, Uhr
Berlin -

Mit einem Faktenblatt hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Freitag auf die Protestankündigung der Ärzteschaft reagiert. Die Darstellung der Umsatzsituation der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sei einseitig und lasse relevante Fakten unbeachtet, kritisiert der Virchowbund. Die Allianz deutscher Ärzteverbände hat nun mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz reagiert.

Mit „großem Befremden“ habe man die „Parteinahme“ des BMG im Zusammenhang mit den gerade angelaufenen Honorarverhandlungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband zur Kenntnis nehmen müssen.

Das Ministerium habe mit seinem „Faktenblatt“ eine einseitige Darstellung der Umsatzsituation der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte „ohne Betrachtung der wirtschaftlichen Gegebenheiten und der Behandlungsumfänge (Stichwort: Verlagerung von ambulant zu stationär)“ verbreitet. „Dieses Papier ist einseitig, in seinem Kern tendenziös und wäre ohne weitere Quellenangabe auch dem Kassenlager zuordenbar.“

Angesichts der laufenden Verhandlungen sei dies ein schwerwiegender Eingriff in die „Tarifautonomie“ der gemeinsamen Selbstverwaltung – für welche das BMG allenfalls die Rechts-, aber keinesfalls die Fachaufsicht habe. „Zudem stellt diese Form der Einmischung aus unserer Sicht einen klaren Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot dar.“

Besonders ärgern sich die Ärzte über die Aussagen zur den „Umsätzen“ der Praxisärzte während der Corona-Pandemie. „Damit wird uns Ärztinnen und Ärzten stillschweigend unterstellt, an der Pandemie unlauter verdient zu haben. Richtig ist vielmehr: Gerade die Praxisteams waren zu Beginn der Pandemie weitestgehend schutzlos. Sie mussten Hygienemaßnahmen in den Praxen selbst organisieren, litten unter Lieferengpässen bei Masken und haben ihre Praxen dennoch offengehalten.“

Andere Bereiche, insbesondere einige Krankenhäuser, seien im gleichen Zeitraum in Kurzarbeit gegangen. „Daher ist es mittlerweile bekannt, dass in den Praxen 19 von 20 Covid-19-Erkrankte behandelt wurden und die Praxisärzte den zentralen Anteil an der Bewältigung der Pandemie hatten.“

Auch die Impfkampagne wäre ohne die Impfungen in den Praxen kein Erfolg geworden. „All dies ist nicht nur den Anstrengungen der Praxisärzte, sondern vor allem deren Praxisteams zu verdanken. Dass für Praxisteams und Organisation enorme Aufwendungen entstanden sind und den zusätzlichen Einnahmen entsprechend Kosten gegenüberstanden, blendet das Papier dies gezielt aus.“

In den Praxen herrsche mittlerweile Fachkräftemangel, insbesondere weil dort vergleichbare Gehälter von Angestellten in der stationären Pflege oder in den Krankenkassen nicht gezahlt werden könnten, obwohl diese Bereiche um dieselben Fachkräfte werben, heißt es weiter. „Diesen Bedarf unter den Tisch fallen zu lassen, während er für die Pflege und die gewerkschaftlich organisierten Sozialversicherungsangestellten der Krankenkassen akzeptiert ist, widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Dass dies durch ein SPD-geführtes Ministerium vorangetrieben wird, ist für uns unverständlich.“

Durch den einseitigen Fokus auf Umsätze zeichne das BMG ein tendenziöses Bild, das wider besseres Wissen verbreitet werde. „Die Unfähigkeit des BMG, Strukturreformen auf den Weg zu bringen, die nachhaltig gewährleisten, dass Mittel zielgerichtet und effizient eingesetzt werden, ist keine Entschuldigung für die einseitige Parteinahme für einen einzelnen Akteur im Gesundheitswesen, in diesem Fall für die Gesetzlichen Krankenkassen.“

Und zum Schluss heißt es: „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir bitten wir Sie, den Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, diesbezüglich auf seine Pflichten hinzuweisen – insbesondere darauf, dass er in der aktuellen Verhandlungssituation strikte Neutralität zu wahren hat.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Mehr zum Thema
Verzögerungen wegen „KOB light“?
ePA: Die Angst vor Abmahnungen

APOTHEKE ADHOC Debatte