Lieferengpässe

BMG: Differenzierte Betrachtung notwendig APOTHEKE ADHOC, 14.10.2019 13:43 Uhr

Nichts da? Laut Bundesregierung war das Problem mit Lieferengpässen schon einmal größer als heute. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Lieferengpässe bei Arzneimitteln sorgen seit Wochen und Monaten immer wieder für Schlagzeilen. CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich will dem Problem mit weiteren gesetzlichen Maßnahmen begegnen. Allerdings hat sich die Zahl der in 2019 bisher gemeldeten Versorgungsprobleme gegenüber dem Vorjahr nicht erhöht. Im Gegenteil: Es wurde sogar weniger Liefer- und Versorgungsengpässe gemeldet. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor.

Seit 2013 werden die Lieferengpässe vom BfArM auf Grundlage freiwilliger Meldungen der Hersteller erfasst – mit entsprechenden Unschärfen im System. 2014 wurde mit nur 30 Meldungen der Tiefstand registriert. Gegenüber dem bisherigen Rekord von 268 gemeldeten Lieferengpässen im Jahr 218 bedeutet dies eine Verneunfachung. Laut Antwort der Bundesregierung gingen im laufenden Jahr 216 Meldungen beim BfArM ein. Davon betrafen 127 Meldungen versorgungsrelevante Wirkstoffe. Vor einem Jahr wurden 139 versorgungsrelevante Wirkstoffe defekt gemeldet. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 gab es nur neun Meldungen dazu. Insbesondere von 2017 auf 2018 ist ein starker Anstieg der Lieferproblematik festzustellen. Die Zahl der BfArM-Meldungen hat sich mehr als verdoppelt.

Trotz dieser Statistik sieht die Bundesregierung kein schwerwiegendes Versorgungsproblem: „Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind nicht mit therapeutisch relevanten Versorgungsengpässen gleichzusetzen. Oftmals stehen alternative Arzneimittel zur Verfügung, weshalb ein Lieferengpass nicht unbedingt zum Versorgungsengpass führen muss“, antwortet für die Bundesregierung BMG-Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU). Deswegen sei eine „differenzierte“ Betrachtung notwendig.

Als Gründe für Lieferengpässe sieht die Bundesregierung „sehr unterschiedliche Ursachen“. Globale Lieferketten mit der Konzentration auf wenige Herstellungsstätten könnten ein Grund sein, aber auch Qualitätsmängel bei der Herstellung, Produktions- und Lieferverzögerungen bei Rohstoffen oder Entscheidungen der Hersteller wie Produktionseinstellungen aus verschiedenen Gründen, werden angeführt. Gefragt hatte die FDP nach der Bedeutung von Rabattverträgen und Festbeträgen.

Als Antwort verweist das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) allerdings auf Einsparungen: 2018 wurden danach 7,8 Milliarden Euro durch Festbeträge und weitere 4,5 Milliarden Euro durch Rabattverträge erzielt. „Sie tragen dazu bei, eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung zu gewährleisten und die Arzneimittelausgaben der GKV auf Dauer finanzierbar zu halten“, so die Antwort. Nach Angaben der Bundesregierung unterliegen 188 der insgesamt 500 vom BfArM als versorgungsrelevant eingestuften Wirkstoffe der Festbetragsregelung. Wie viele versorgungsrelevante Arzneimittelpackungen im Rahmen der Importförderklausel abgegeben wurden, weiß die Bundesregierung nicht. Insgesamt gibt es laut BMG-Antwort für die in Deutschland zugelassenen versorgungsrelevanten Arzneimittelwirkstoffe 1344 Hersteller. Weniger als die Hälfte haben ihren Sitz in der EU (526 von 1344). Nur 96 Hersteller haben ihren Sitz in Deutschland. Die meisten Wirkstoffhersteller produzieren in China, Indien und Italien.

Der Bundesregierung wirft der FDP-Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Andrew Ullmann „Versagen im Hinblick auf die Lieferengpässe bei Medikamenten vor“. Die Regulierungs- und Sparwut gehe zulasten der Gesundheit der Patienten. „Lieferengpässe bei Medikamenten nehmen in den letzten Jahren nachweislich zu. Das hat viele Ursachen. Die Bundesregierung versucht jedoch zu beschwichtigen und eigenes Versagen zu vertuschen. Der Wille tätig zu werden, ist nicht erkennbar. Arzneimittel werden heute überwiegend außerhalb der EU in wenigen Unternehmen in China und Indien produziert. Wenn es dort Probleme gibt, müssen das die Menschen hier vor Ort in Deutschland ausbaden, die auf ihre Medikamente angewiesen sind. Schuld daran ist die regulierungswütige Sparpolitik der letzten Jahre. Zwangsabschläge, Festbetragsarzneimittel, Rabattverträge und regionale Arzneimittelvereinbarungen mit Quoten: Der Arzneimittelmarkt in Deutschland gleicht heute einer Planwirtschaft. Es geht nur noch darum, auf dem Rücken der Patienten Geld zu sparen bis es quietscht.“

Es sei längst an der Zeit, diesen planwirtschaftlichen Regulierungswahnsinn zu beenden, der die Gesundheitsversorgung gefährde. Die kleinteilige Regulierung der Versorgung müsse auf den Prüfstand. Ullmann: „Sparinstrumente müssen abgeschafft werden, wenn sie dazu führen, dass nur noch in einigen wenigen Ländern und Produktionsstätten lebenswichtige Arzneimittel hergestellt werden. Wir müssen zügig Reformen einleiten, die unsere Gesundheitsversorgung besser und gleichzeitig zukunftsfest machen.“