Fixum plus Vorhaltepauschale

BMG-Chefstratege: Apotheker sollen gut verhandeln

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Hannover -

Kurz vor der Wahl sollte Karl Lauterbach (SPD) in Hannover mit Bürgerinnen und Bürgern aus dem Wahlkreis von Adis Ahmetovic über die Gesundheitspolitik sprechen. Weil der Gesundheitsminister aber Fieber hatte, übernahm Boris Velter, Leiter des Leitungsstabs im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Auch Apotheker:innen waren unter den Teilnehmenden.

Ahmetovic ist zwar kein ausgewiesener Gesundheitspolitiker, kennt aber die Herausforderungen im Gesundheitswesen seines Wahlkreises – von Krankenhäusern und Arztpraxen bis hin zu Pflegeeinrichtungen und Apotheken. Für die Diskussionsrunde in Hannover holte er sich fachkundige Verstärkung aus dem BMG.

„Die Kompetenzen der Pharmazeuten müssen stärker genutzt werden“, erklärte Velter zu Beginn der Veranstaltung und verwies auf ein Gespräch mit Abda-Präsident Thomas Preis am Vortag. In anderen Ländern sei es längst üblich, pharmazeutische Fachkräfte umfassender in die Gesundheitsversorgung einzubinden, beispielsweise beim Management von Lieferengpässen.

Die Apotheker:innen meldeten sich direkt zu Wort: „Wie kann es sein, dass ich seit 2013 das gleiche Fixum pro Packung erhalte? Und warum erlaubt der Gesetzgeber, dass ausländische Versandapotheken mit prominenten Figuren Werbung machen dürfen, sich aber nicht am Solidarsystem in Deutschland beteiligen“, wollte eine Apothekerin aus Hannover wissen.

Honorarverhandlung mit den Kassen

„Das Fixum ist nur ein Teil der Vergütung“, erklärte Velter. Der prozentuale Anteil der Vergütung sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Dennoch erkenne er das Problem an und wolle fair sein, betonte er. „Wir hatten dazu einen Vorschlag, und ich halte ihn weiterhin für richtig.“

Velter plädierte für Verhandlungen mit den Krankenkassen, wie in allen anderen Bereichen des Gesundheitsbereiches üblich, allerdings mit einer gesetzlichen Regulierung, um den Apotheken eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen. Auch Preis unterstütze diesen Ansatz, so Velter. Darüber hinaus könne er sich vorstellen, neben der klassischen Packungspauschale eine kontaktunabhängige Pauschale einzuführen.

Schon unter Ulla Schmidt habe es die Diskussionen wegen der Versender geben, fuhr Velter fort. Das EU-Recht komme hier in die Quere. Die gleich langen Spieße seien an dieser Stelle nicht gewährleistet, aber man könne sie auch nicht einfach herstellen, ohne den gesamten Apothekenmarkt zu liberalisieren, behauptete er. „Deutschland hat hier nicht aufgepasst.“ Allerdings sei das Problem bei einem Marktanteil von unter 5 Prozent nicht gravierend – dennoch sollte die Situation weiterhin beobachtet werden.

Land- versus Stadtbetrieb

Doch damit ließen sich sie Apotheker:innen nicht abwimmeln: „Wir haben in der Region Hannover eine Apotheke verloren – in der Stadt Hannover waren es acht“, erklärt die Apothekerin Magdalene Linz. Die Vorstellung, dass das Apothekensterben ausschließlich ein ländliches Phänomen sei, entspreche nicht der Wahrheit.

Auch bei der Vergütung wies sie darauf hin, dass insbesondere bei hochpreisigen Medikamenten Apotheken zunächst in Vorkasse gehen müssten – ein Medikament, das mehrere Tausend Euro koste, müsse sich eine Apotheke erst leisten können. Auch den Versandhandel nahm sie erneut zum Thema: „Arzneimittel müssen temperaturkontrolliert versendet werden, doch das tun die Versender nicht.“

„Land versus Stadt ist ein wichtiger Aspekt“, erklärte Velter. Er fügte hinzu, dass das auch bei den Hausärzt:innen gelte. „Wenn einer von uns da Unfug geredet hat, dann muss man das zurücknehmen“, so seine Aussage. Es sei ihm allerdings neu, dass jemand aus dem Ministerium – oder gar der Minister – dies in der Vergangenheit so formuliert habe. Auf den temperaturkontrollierten Versand ging Velter nicht ein.

Wozu der Kassenabschlag?

„Wir gewähren der Krankenkasse einen Rabatt von 1,77 Euro auf unseren Lohn, um eine Zahlung innerhalb von zehn Tagen zu ermöglichen“, erklärte ein anderer Apotheker. Mit dem E-Rezept habe sich der Abrechnungsprozess verändert. „Warum zahle ich dann noch einen Kassenabschlag?“ Er nehme das Thema gerne mit und schaue es sich an, versprach Velter.

Kompromisse bei Telepharmazie

„Telepharmazie ist für uns kein Selbstzweck“, so Velter. Sie solle vielmehr dazu beitragen, neue Versorgungswege zu eröffnen und die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Auch im pharmazeutischen Bereich habe man mit Fachkräftemangel zu kämpfen; daher sei es eine Chance, Beratungsleistungen nicht ausschließlich physisch, sondern auch digital anzubieten. „Wir sind immer kompromissbereit“, betonte er. Auf eine Rückfrage zum Vorstoß der Drogeriekette dm in den Arzneimittelmarkt ging er nicht ein.

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