BMG: Apothekenlöhne interessieren nicht Nadine Tröbitscher, 09.11.2023 10:26 Uhr
Die Apothekenteams blicken in eine düstere Zukunft, der finanzielle Druck wird größer und zieht immer mehr Schließungen nach sich. Doch eine Honorarerhöhung ist in den Reformplänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nicht vorgesehen. Die Unionsfraktion um die Gesundheitsexperten Stephan Pilsinger (CSU) und Dr. Georg Kippels (CDU) hat in einer kleinen Anfrage die Bundesregierung nach den „Maßnahmen zum Erhalt der Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche“ um Auskunft gebeten. Die Antworten sind entlarvend.
Dass Apotheken zur unverzichtbaren Infrastruktur gehören, ist unumstritten. Doch die wohnortnahe Versorgung ist in Gefahr. Apotheken sind aufgrund von steigenden Kosten bei einem seit mehr als einem Jahrzehnt gleichbleibenden Honorar nicht mehr wirtschaftlich. Einer Honorarerhöhung für alle Apotheken erteilt die Bundesregierung eine Absage. Warum, wollte die Unionsfraktion wissen.
Sonderumsätze zählen mit
Die Bundesregierung windet sich um eine klare Antwort. Die Preise und Preisspannen in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) seien so festzulegen, dass sie „den berechtigten Interessen der Patient:innen einschließlich der Sicherstellung der Versorgung sowie der Bereitstellung von Arzneimitteln, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen“. Dabei seien aber auch weitere vergütete Leistungen wie etwa der Botendienst und die Engpass-Pauschale zu betrachten, so Staatssekretär Dr. Edgar Franke. Hinzu kämen die pandemiebedingten Sonderumsätze sowie das OTC-Geschäft. Und auch der Wegfall der Präqualifizierung sowie die Streichung der Nullretax müssten bei der Bewertung der wirtschaftlichen Situation der Apotheken betrachtet werden.
Geplant seien Reformen im Apothekenwesen: „Zum einen sollen Apothekenstandorte in der Fläche durch eine gezielte Umstellung der Vergütung gestärkt werden. Zum anderen werden die Apotheken durch Entbürokratisierung wirtschaftlich entlastet“, so Franke. „Als Teil der Entbürokratisierung sollen zudem insbesondere Standortgründungen in strukturschwachen Regionen erleichtert werden.“
Wie weit ist zumutbar?
Außerdem wollte die Unionsfraktion wissen, welche Entfernung zur nächsten Apotheke die Bundesregierung für die Bevölkerung im Alltag beziehungsweise im Notdienst für zumutbar hält, insbesondere für Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen und eingeschränkter Mobilität?
Das lässt die Bundesregierung offen. Denn: Für Apotheken gelte die Niederlassungsfreiheit, und eine bundesseitige Bedarfsplanung für Apothekenstandorte gebe es nicht. „Eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ist nach Auffassung der Bundesregierung derzeit sichergestellt.“ Und Personen mit eingeschränkter Mobilität hätten ja die Möglichkeit, „Arzneimittel über einen Botendienst der Apotheke oder im Wege des Versandes zu erhalten“.
Apropos Versandhandel: „Der Erhalt der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln hat einen sehr hohen Stellenwert. Dabei spielen die Vor-Ort-Apotheken eine wichtige Rolle. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Vor-Ort-Apotheken wird durch den Versandhandel mit Arzneimitteln ergänzt“, so Franke auf die Frage, welchen Stellenwert der Versandhandel für die Bundesregierung hat.
Weniger Personal für höhere Gehälter
Die Apotheke als Arbeitsplatz verliert mehr und mehr an Attraktivität – auch wegen des geringen Gehaltes. Damit dieses steigt, sei aus Sicht von CDU/CSU eine Honorarerhöhung für alle Apotheken nötig. Doch im BMG sieht die Sache anders. „Der Bundesregierung liegen keine konkreten Erkenntnisse zur Einkommensentwicklung von Angestellten in öffentlichen Apotheken vor. Die Festlegung von Löhnen für Angestellte in Apotheken obliegt der Inhaberin beziehungsweise dem Inhaber der jeweiligen Apotheke.“
Statt das Apothekenhonorar zu erhöhen, um höhere Gehälter zu ermöglichen, will das BMG dem Fachkräftemangel dadurch begegnen, dass weniger Personal benötigt wird: „Allgemein soll die Reform genutzt werden, um bürokratische Vorgaben zu flexibilisieren und Apotheken wirtschaftlich zu entlasten.“
So sei beispielsweise angedacht, in bestimmten Konstellationen die Einsatzmöglichkeiten für erfahrene PTA bei Nutzung technischer Einrichtungen zur Videokonsultation (Telepharmazie) zu erweitern und „den Apotheken so einen flexibleren Personalansatz zu ermöglichen“. „Zudem sollen flexiblere Öffnungszeiten ermöglicht werden, um diese an Personalressourcen und Bedürfnisse der Versorgung vor Ort anzupassen.“
Und auch in der Rezeptur sollen Ressourcen frei werden: „Labore und Herstellungseinrichtungen sollen zukünftig im Apothekenverbund vorgehalten werden, wenn eine zügige Belieferung der (Filial)Apotheken sichergestellt ist. Beim Einsatz von spezialisiertem Personal in diesen Tätigkeitsbereichen können Apotheken Skaleneffekte besser ausnutzen.“
Planungssicherheit für Light-Gründer
Durch die Lockerungen soll die Apotheke auch für Existenzgründerinnen und -gründer wieder attraktiver werden: „Mit der geplanten Reform im Apothekenwesen sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sowohl Apothekeninhaberinnen und -inhabern als auch Neugründerinnen und -gründern dauerhaft ein planungssicheres und wirtschaftliches Handeln ermöglichen. Die geplante Reform soll unter anderem Möglichkeiten für einfachere Standortgründungen in der Fläche sowie eine Anpassung der räumlichen Anforderungen enthalten, etwa bezüglich der Pflicht zur Vorhaltung eines Labors oder eines Rezepturherstellungsplatzes.“
Lauterbach versteht Apotheke nicht
Die beiden Unionsabgeordneten sind fassungslos. „Lauterbach und die Ampel sind offenbar weiterhin nicht in der Lage, den unschätzbaren Wert der inhabergeführten Apotheken für unser Gesundheitssystem zu erkennen. Statt endlich das seit 2013 nicht mehr erhöhte Fixhonorar an Inflation und Energiepreissteigerungen anzupassen, werden unsere Apotheken mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz weiter geschröpft“, so Pilsinger.
Das BMG bleibe mit seinen Plänen hinsichtlich der Apotheken weiterhin im Vagen. „Seine kürzliche Ankündigung auf dem Deutschen Apothekertag, Filialapotheken zu reinen Medikamenten-Abgabestellen zu machen, war seitens Lauterbach eher ein Schlag ins Gesicht der Apothekerschaft als die längst überfällige finanzielle und bürokratische Entlastung."
„Für eine sachgerechte Politik im Sinne der Apotheken fehlt es unverändert an einem inhaltlichen Austausch des Ministers mit den Akteuren vor Ort und an der Basis“, fügt Kippels hinzu. „Der anstehende Regelungsbedarf kann nicht aus Expertenanhörungen entwickelt werden, sondern nur aus Gesprächen mit den Leistungserbringern selbst. Die unbefriedigenden Antworten zeigen dringenden Handlungsbedarf auf. Das werden wir angehen.“ Apotheken seien ein unverzichtbarer Baustein und brauchten dauerhafte Unterstützung, nicht jedoch eine Bevormundung in Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Apotheker:innen.