Eigene oder angemietete Immobilien gehören zu den gefährlichen Themen
einer jeden Interessenvertretung. Je nobler die Adresse und je
repräsentativer die Räume, desto genauer sehen Aufsicht und Mitglieder hin – die
ABDA hat mit dem Mendelssohn-Palais am Berliner Gendarmenmarkt ihre
Erfahrungen gemacht. Aktuell stehen Ärzte und Kassen unter
Rechtfertigungsdruck: Im Bundestag werden die Ausgaben der
Spitzenorganisationen aufgearbeitet.
Die Grünen wollten von der Bundesregierung wissen, was GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) für ihre Büroflächen ausgeben und inwiefern die einzelnen Investitionen genehmigt worden sind.
Das Interesse der Abgeordneten kommt nicht von ungefähr: Seit Jahren moniert der Bundesrechnungshof (BRH) die Vorstandsvergütungen und Mietausgaben der Kassen. Zusätzlich sorgte der Umzug des GKV-Spitzenverbands ins „Palais am Deutschen Theater“ für Gesprächsstoff. In den vergangenen Monaten haben sich außerdem immer wieder Medien mit angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der KBV beschäftigt.
Die KBV hatte im Juli 2004 Büros am Berliner Tiergarten angemietet; bis Februar 2012 wurden die Flächen noch einmal erweitert. Insgesamt kommen die Ärzte auf rund 10.000 Quadratmeter – für 330 Mitarbeiter. In direkter Nachbarschaft ist seit Dezember 2009 der G-BA untergebracht; knapp 140 Voll- und Teilzeitkräften stehen circa 5000 Quadratmeter zur Verfügung. Der GKV-Spitzenverband wiederum zog Anfang August in die neuen Büroräume in der Reinhardtstraße unweit des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – auf knapp 14.000 Quadratmeter für 375 Mitarbeiter.
Bei solchen Dimensionen ist es normal, dass die Aufsicht genauer hinsieht. Laut Sozialgesetzbuch müssen das Bundesversicherungsamt beziehungsweise die Verwaltungsbehörden der Länder alle fünf Jahre die Bücher der Kassen und ihrer Arbeitsgemeinschäften kontrollieren. Ebenso oft muss das BMG eine Betriebsprüfung beim GKV-Spitzenverband und bei der KBV veranlassen.
Seit vor drei Jahren die letzte Kontrolle bei den Ärzten durchgeführt wurde, werden Unregelmäßigkeiten aufgearbeitet. Neben einem unzulässigen Sonderhaushalt und hohen Barauszahlungen wird vor allem die Finanzierung der Büroflächen geprüft.
Gebaut wurden die KBV-Gebäude durch eine Tochterfirma der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) mit dem Namen APO Vermietungsgesellschaft. Die Kosten für die ursprüngliche Fläche beliefen sich auf 37 Millionen Euro, die Erweiterung kostete 21 Millionen Euro.
Dafür stellten die Ärzte ihrem Vermieter ab 2005 ein Darlehen von 5 Millionen Euro zur Verfügung, das zwischenzeitlich auf einen Betrag von 60 Millionen Euro angewachsen ist – also mehr, als der Neubau gekostet hat. Laut BMG wäre diese Form der Geldanlage genehmigungspflichtig gewesen.
Allerdings hat die KBV die Firma mittlerweile übernommen – und damit die eigenen Büroflächen und übrigens auch die des G-BA. Damit werden die Finanzgeschäfte noch unklarer: Die Bundesregierung räumt in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage ein, dass es keine Möglichkeit gibt, die wirtschaftenden Töchter von Körperschaften wie KBV oder GKV-Spitzenverband zu prüfen.
Beim GKV-Spitzenverband geht es um die Frage, ob Miete oder Kauf auf lange Sicht günstiger ist. Der Mietvertrag für das jetzt bezogene Objekt wurde 2010 unterschrieben, nachdem die Wirtschaftsprüfunggesellschaft PriceWaterhouseCoopers zu dem Schluss gekommen war, dass über einen Zeitraum von 20 Jahren eine Anmietung günstiger ist als der Kauf. Damit zahlt der Kassenverband pro Monat knapp 240.000 Euro oder 634 Euro pro Kopf beziehungsweise knapp 2,9 Millionen Euro pro Jahr.
Offenbar gibt es aber ein neues Gutachten, nach dem der Erwerb der Immobilie doch wirtschaftlicher ist. Ende August hat der GKV-Spitzenverband daher entschieden, die vereinbarte Kaufoption zu nutzen. Das BMG hatte zuvor zugestimmt. Einen festen Kaufpreis gibt es noch nicht; er dürfte in der Größenordnung von 70 Millionen Euro liegen – und damit deutlich über jenen 57 Millionen Euro, die die Kassen über einen Zeitraum von 20 Jahren ausgeben würden.
Für die Finanzierung des Kaufs hat der Verwaltungsrat bereits Ende Juni eine Sonderabgabe beschlossen: Die Kassen sollen eine einmalige Umlage zahlen, die etwa einem Euro pro Versichertem entspricht.
Grundsätzlich sei die Entscheidung über die Anmietung von Verwaltungsgebäuden Sache der Selbstverwaltung, solange die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten werden, so das BMG. Misstrauisch ist die Regierung trotzdem: Seit August müssen die Krankenkassen Mietverträge vorlegen, wenn die Fläche 7500 Quadratmeter und die Mietdauer zehn Jahre überschreitet.
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