Steueramnestie für Krankenkassen Alexander Müller, 04.03.2013 12:35 Uhr
Die Krankenkassen haben mit ausländischen Versandapotheken jahrelang falsch abgerechnet. Aus einer Klarstellung des Bundesfinanzministeriums (BMF) geht hervor, dass nicht die Versender, sondern die Kassen selbst diese Umsätze versteuern müssen. Die Kassen haben noch eine Frist bis Monatsende für die Umstellung. Eigentlich müssten sie für alle früheren Umsätze die Steuern nachzahlen, doch für die Vergangenheit gewährt ihnen die Regierung eine Amnestie.
Hintergrund ist das Bestimmungslandprinzip: Steuerrechtlich sind Krankenkassen demnach selbst Abnehmer für alle Arzneimittel, die zu ihren Lasten abgegeben werden. Dieser innergemeinschaftliche Erwerb muss ab relativ geringen Lieferschwellen im Empfängerland versteuert werden. Innerhalb der EU sollen so Wettbewerbsverzerrungen durch abweichende nationale Steuersätze vermieden werden.
Bislang machen die großen Holland-Versender jedoch von einer Vereinfachungsregelung Gebrauch: Sie versteuern ihre Umsätze mit deutschen Kunden selbst bei dem zuständigen Finanzamt in Kleve. Die Kassen merken davon nichts und hätten nach Angaben der Versender auch gar nicht die nötige Software, um die Steuern zu berechnen.
Das BMF hatte die Kassen bereits im August auf ihre Steuerpflicht hingewiesen. Auch der GKV-Spitzenverband hatte die Kassen darüber informiert, dass sie die Steuern abführen müssten. Nur bei Anwendung der Vereinfachungsregelung sei die Kasse steuerfrei gestellt.
Doch Ende November hatte das BMF die obersten Finanzbehörden daran erinnert, dass die Ausnahme laut Gesetz nur für Großhändler in Grenznähe gilt. Für den Versandhandel sei die 1993 erlassene Vereinfachungsregelung nicht vorgesehen. Schließlich müssten die Steuerbehörden beider Länder der Anwendung zustimmen – und zwar vorab. Ohne vorherige Genehmigung, sei eine Rückabwicklung zwingend, heißt es in dem BMF-Schreiben, das sich allerdings nicht konkret auf Versandapotheken bezieht.
Für die Krankenkassen hätte ein hartes Durchgreifen dramatische Konsequenzen: Sie müssten für alle Arzneimittel, die in den vergangenen Jahren mit ausländischen Versandapotheken abgerechnet wurden, die Umsatzsteuern plus Zinsen nachzahlen. Zwar bekämen die Versender ihrerseits das Geld zurück. Für die Kassen dürfte es aber rechtlich schwierig sein, das Geld einzufordern.
Offenbar hat es jetzt eine politische Lösung gegeben: Laut der Klarstellung des BMF können die Finanzämter einer Anwendung der Vereinfachungsregelung auch nachträglich zustimmen. Dies gelte entsprechend auch für Lieferungen bis zum 31. März.
Spätestens ab April müssen die Versandapotheken ihre Leistungen demnach als Nettobeträge in Rechnung stellen und die Kassen selbst versteuern. Derzeit arbeiten die Beteiligten an einer neuen Lösung.
Einzelne Kassen waren dem Vernehmen nach zwischenzeitlich von ihrem Finanzamt bereits aufgefordert worden, entsprechende Steuernachzahlungen zu leisten. Bestätigt wurde dies von den vermeintlich Betroffenen bislang allerdings nicht. Laut dem BMF-Schreiben sind jedenfalls auch alle offenen Fälle von der Neuregelung erfasst.