BMF: Versandapotheken dürfen nicht tricksen Alexander Müller, 16.05.2012 11:54 Uhr
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will sich von ausländischen Versandapotheken nicht prellen lassen: Einer Stellungnahme aus seinem Ministerium zufolge gilt der deutsche Mehrwertsteuersatz, wenn Versender aus dem Ausland Arzneimittel zu Lasten der Krankenkassen abrechnen. Tricksereien mit dem ausländischen Mehrwertsteuersatz sind demnach nicht möglich. Die Kassen sollen demnächst über die Problematik informiert werden. Wenn sich das BMF mit seiner Position durchsetzt, könnte auch das Pick-up-Konzept „Vorteil24“ Probleme bekommen.
Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hatte sich beim Ministerium allegemein nach Steuertricks im Versandhandel erkundigt. Ob in jedem Fall die deutsche Umsatzsteuer gelte, wenn ausländische Versender Arzneimittel an deutsche Patienten verkaufen, wollte Spahn wissen. „Wenn nein, in welchen Konstellationen ist es denkbar, dass Arzneimittel, die von ausländischen Versendern an deutsche Patienten verkauft werden, der Umsatzsteuer des Abgabelandes unterliegen?“, fragte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion.
Für das BMF ist der Fall eindeutig: Bei gesetzlich Versicherten sei nicht der Patient, sondern dessen Krankenkasse Leistungsempfänger im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Die maßgebliche Schwelle von jährlich 12.500 Euro werde in der Regel überschritten. „Ein solcher innergemeinschaftlicher Erwerb der Arzneimittel wird grundsätzlich im Inland erwirkt und unterliegt somit der deutschen Umsatzsteuer“, so das BMF.
Die Kassen müssten demnach die auf die Arzneimittel entfallenen Umsatzsteuer anmelden und die Steuerschuld an das Finanzamt abführen. Laut BMF sollen die Spitzenverbände der Krankenkassen in Kürze erneut über diese Umsatzsteuerproblematik informiert werden.
Bei Privatversicherten und Arzneimitteln, die nicht zu Lasten der GKV abgegeben werden können, gilt laut BMF das Bestimmungslandsprinzip. Ausländische Versandapotheken können ihre Umsätze demnach nur in ihrem Heimatland versteuern, solange die Exporte einen bestimmten Schwellenwert nicht übersteigen. In Deutschland liegt dieser Wert bei 100.000 Euro pro Kalenderjahr. „Mit dieser Regelung wird verhindert, dass sich die Versandunternehmen die Unterschiede bei den Umsatzsteuersätzen in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu Nutze machen“, so das BMF.
Unter dem umsatzsteuerlichen Aspekt hatte zuletzt die Kanzlei Hönig & Partner das Pick-up-Konzept „Vorteil24“ bewertet. Dem Gutachten zufolge kann die Abgabe der Arzneimittel nicht in den Niederlanden verlegt werden. Die Kanzlei hatte wie jetzt das BMF auf das Sachleistungsprinzip abgestellt. Demnach kauft die Kasse das Arzneimittel ein. Deshalb spiele es keine Rolle, ob der Patient seine Medikamente formal in den Niederlanden abholt.
Auf die Kassen könnten dem Gutachten zufolge sogar Steuernachzahlungen zukommen. Denn der Preis der niederländischen Montanus Apotheke sei steuerrechtlich ein Nettopreis. Folglich müssten die Kassen die deutsche Umsatzsteuer abführen – obwohl sie im Geschäft mit Montanus eigentlich schon eingepreist war.