BMF: Ausnahmen von Manipulationsschutz-Frist Lothar Klein, 26.05.2020 14:34 Uhr
Das Bundesfinanzministerium bleibt hart – aber nur grundsätzlich: Die Frist zur Installation des elektronischen Manipulationsschutzes von Registrierkassen wird wegen der Corona-Krise nicht ein zweites Mal verlängert. Ab 1. Oktober müssen im Prinzip alle Kassensysteme der Apotheken mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Aber es gibt Ausnahmen: „In Einzelfällen können Steuerpflichtige bei der zuständigen Finanzbehörde einen Antrag auf eine über den 30. September 2020 hinausgehende Befreiung von der Pflicht zum Einsatz einer TSE stellen“, teilte das Bundesfinanzministerium (BMF) gegenüber APOTHEKE ADHOC mit.
Derzeit berät der Bundestag das Corona-Steuerhilfegesetz. Unter anderem der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) hatte in der Anhörung dazu gefordert, die TSE-Frist erneut um drei Monate bis zum 1. Januar 2021 zu verlängern mit Verweis auf die Corona-Krise. Anfang 2020 bis zum Beginn der Corona-Krise Anfang März seien die „Implementierungen der TSE“ zwar angelaufen, so der DStV. „Ad hoc trafen dann aber etliche Betriebe aus der Bargeldbranche die Auswirkungen der Pandemie hart – wie der Shutdown, die Befassung mit Hilfen zur Existenzsicherung, mit Umstrukturierungen in den Betriebsabläufen zur Reduzierung der Infektionsgefahr oder mit den Modalitäten rund um die Kurzarbeit. Normalität im Sinne von Tagesgeschäft wird in den Unternehmen und bei deren steuerlichen Beratern auch in den nächsten Monaten kaum eintreten“, so die Begründung. Der DStV halte es angesichts der dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bargeldbranche daher „für wünschenswert“, wenn die Pflicht zum Einsatz der TSE zeitlich verschoben werde und gesetzlich erst ab Januar 2021 gelte.
Das Corona-Steuerhilfegesetz soll noch diese Woche verabschiedet werden. Einer erneuten allgemeinen Verlängerung der TSE-Frist will das Bundesfinanzministerium nicht zustimmen. Ursprünglich sollte die TSE bereits zu Jahresbeginn flächendeckend eingeführt sein. Dann wurde die Frist auf Ende September verlängert. „Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 ist ein wichtiger Schritt, um Veränderungen oder Löschungen von digitalen Grundaufzeichnungen zu verhindern und damit die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu sichern“, teilte jetzt das BMF mit. Vergleichbare Sicherheitseinrichtung hätten sich in vielen Staaten als bewährtes Mittel erwiesen, um Steuerhinterziehung effektiv zu bekämpfen, die letztlich allen schade und vor allem steuerehrliche Einzelhändler benachteilige.
Um die Kosten und den Aufwand für alle Beteiligten gering zu halten, seien bereits so weit wie möglich Erleichterungen bei der Umsetzung der Regelung geschaffen worden. Beispielsweise könnten mehrere Kassen an eine TSE angebunden oder bereits benutzte TSE können an andere Anwender weitergeben beziehungsweise verkauft werden, so das BMF.
„Wir gehen davon aus, dass bis Ende September 2020 ausreichende Zertifizierungen abgeschlossen sein werden, damit eine flächendeckende Aufrüstung der elektronischen Aufzeichnungssysteme möglich ist“, so die Antwort des BMF weiter. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) habe die ersten technischen Sicherheitseinrichtungen für elektronische Aufzeichnungssysteme im Dezember 2019 zertifiziert; eine weitere zuletzt im April 2020. BMF: „Vor diesem Hintergrund sehen wir keine Notwendigkeit für eine generelle Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung über den 30. September 2020 hinaus.“
Allerdings will das BMF Ausnahmen zulassen. „In Einzelfällen können Steuerpflichtige bei der zuständigen Finanzbehörde einen Antrag auf eine über den 30. September 2020 hinausgehende Befreiung von der Pflicht zum Einsatz einer TSE stellen.“ Dafür müsse der Kasseninhaber die Gründe für die fehlende Aufrüstung der elektronischen Aufzeichnungssysteme und einen Härtefall im Sinne des § 148 AO darlegen und durch entsprechende Nachweise belegen. Unter Härte sei eine „sachliche oder persönliche Härte“ zu verstehen. Diese könne „nicht allein in der Pflicht zur Befolgung des Gesetzes bestehen“. Die entstehenden Kosten selbst stellen für sich allein keine sachliche oder persönliche Härte im Sinne dar. Aber: „Im Einzelfall können sie allenfalls in Kombination mit weiteren Umständen Berücksichtigung finden.“ Ob damit auf die Folgen der Corona-Krise gemeint sein können, ließ das BMF offen.
Zu Jahresbeginn hatte die Bon-Pflicht in Apotheken, Bäckereinen und anderen kleinen Einzelhandelsgeschäften für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Hier hatten daraufhin einzelne Finanzämter auf Antrag ebenfalls Ausnahmen davon genehmigt.
Ende 2016 hatte die Bundesregierung ein Registrierkassen-Gesetz verabschiedet, dass zuvor festgestellten Manipulationen an Kassensystemen ein Ende setzen sollte. Die neuen Regelungen, die für den Einzelhandel und die Gastronomie gelten, werden allerdings erst nach und nach wirksam und spürbar. 2018 eingeführt wurde bereits die Kassennachschau. Diese ermöglicht Finanzämtern unangemeldete Besuche in Apotheken zur Kontrolle der Kassen und der Kassenbücher. Bei Auffälligkeiten kann dann eine Betriebsprüfung erfolgen.
Die neuen zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtungen TSE sollen unter anderem nachträgliche Löschung von Umsätzen unmöglich machen. Die technischen Anforderungen definiert und zertifiziert das BSI. Die Hersteller von Kassensystemen beziehungsweise die Softwarehäuser der Apotheken müssen dazu beim BSI entsprechende Anträge stellen und die TSE-Einbindung ins Warenwirtschaftssystem vornehmen. Die Apotheke muss dann ihrerseits dem Finanzamt bestätigen, dass das System vorhanden ist. Dass sollte eigentlich bis zum 31. Januar 2020 erfolgen. Offenbar liegen aktuell aber nur wenige Anträge der Softwarehäuser beim BSI vor.
Ältere, nicht nachrüstbare Registrierkassen dürfen zudem bis Ende 2022 weiter betrieben werden. Neu angeschaffte Geräte müssen demnach von 2020 an über eine manipulationssichere technische Sicherheitseinrichtung verfügen, die mit dem ersten Tastendruck alle Eingaben in das System unveränderlich und verschlüsselt erfasst.
Laut Schätzungen der Bundesregierung führen Manipulationen mit elektronischen Kassensystemen und Zappern zu Steuerausfällen von zehn Milliarden Euro. Deshalb hatte der Bundesrechnungshof über zehn Jahre lang Maßnahmen angemahnt, um Steuerbetrug mit Mogelkassen in Läden oder Kneipen einen Riegel vorzuschieben. Nach mehr als zwei Jahren konnten sich Bund und Länder 2016 auf ein Gesetz einigen.