Wieder einmal sorgt der Lieferengpass eines großen AOK-Rabattpartners für massive Probleme in den Apotheken. Weil der Branchenprimus den Schnelldreher seit mehreren Monaten nicht zur Verfügung stellen kann, sind mittlerweile auch alle anderen Hersteller defekt. Der Markt ist leer gefegt – auf kurze Sicht scheint keine Besserung in Sicht.
Metohexal 200 retard ist seit circa drei Monaten defekt, das Produkt der Schwesterfirma 1A Pharma sogar noch etwas länger. In der Folge waren auch die Bestände der anderen Hersteller schnell ausverkauft. Seit in der vergangenen Woche auch Aliud nach einer Verdopplung der Absatzmengen eingeknickt ist, ist die Variante mit 200 mg Wirkstoff flächendeckend defekt.
Ein Hexal-Sprecher bestätigte auf Nachfrage, dass es derzeit Lieferengpässe gibt. Grund sei die hohe Nachfrage, die unerfreulicherweise zu Kapazitätsengpässen geführt habe. Externe Quellen führen einen Wechsel des Lieferanten als mögliche Ursache an: Ende vergangenen Jahres hatte Hexal die Produktion von Metoprolol beim britischen Lohnhersteller Nextpharma abgezogen und an Lek, eine Tochterfirma in Polen, vergeben. Damit wechselte auch die Wirkstofflieferant.
„Für Metoprolol retard haben wir einen neuen Lieferanten gefunden, jetzt läuft die Validierung“, erklärt der Hexal-Sprecher. Das werde noch bis in die Sommermonate dauern, also bis August.
Andere Hersteller wollen schneller wieder lieferfähig sein: Ratiopharm hofft, Anfang Juli wieder alle Anfragen bedienen zu können. Heumann geht davon aus, dass schon in dieser Woche Chargen freigegeben werden könnten. „Wir warten jeden Tag auf den Bescheid.“ Dann sollte die Menge auch kein Problem sein.
Die Stada kann Metoprolol 200 mg retard und Metoprolol ZOT 200 mg jeweils in der Packungsgröße à 100 Retardtabletten nicht liefern. Alle anderen Wirkstärken seien lieferbar. Nach dem Ausfall des größten Rabattpartners Ende 2015 hätten die übrigen Partner die dadurch entstandenen Ausfallmengen nur über einen begrenzten Zeitraum ausgleichen können. „Eine Normalisierung der Liefersituation wird sich voraussichtlich einstellen, wenn alle wichtigen Marktteilnehmer wieder lieferfähig sind“, so ein Sprecher.
Hexal ist seit Jahren Rabattpartner der AOK für Metoprolol – und damit der mit Abstand führende Anbieter: Laut Arzneiverordnungsreport ist Metohexal mit 6,8 Millionen Verordnungen die Nummer 6 unter dem am häufigsten abgegebenen Arzneimitteln überhaupt. Nach Tagestherapiedosen kommt das Produkt auf einen Marktanteil von 40 Prozent, auf die Gruppe inklusive 1A und Sandoz entfallen sogar 70 Prozent.
Auch wenn bei der AOK vor zwei Jahren Aliud und Stada dazu gekommen sind, haben die Holzkirchener nach wie vor die Nase vorn. 50 Prozent des Marktes entfallen nach Schätzungen derzeit auf Metohexal. Der Gesamtmarkt umfasst 19 Millionen Packungen pro Jahr , davon fallen laut IMS Health zwei Drittel auf die Metoprololsuccinat mit besonderer Freisetzungskinetik und ein Drittel auf die konventionellen Retardtabletten mit Metoprololtartrat.
Aufgrund der unterschiedlichen Wirkstärken sind die beiden Salzformen nicht austauschbar. Viele Ärzte lehnen es ab, die seit Jahren eingestellten Bluthochdruckpatienten umzustellen. In 90 Prozent der Fälle schreiben die Kassen getrennt nach Tartrat und Succinat aus.
Die aktuelle Rabattrunde der AOK läuft übrigens Ende September aus. Hexal hat neben Teva/Ratiopharm und Aliud den Zuschlag für die nächste Tranche bekommen. Ob der Konzern antreten darf, war bislang nicht zu erfahren.
Die Hersteller mussten sich bei der Ausschreibung in einer Bevorratungsklausel verpflichten sicherzustellen, dass zum Start der Verträge in allen Apotheken ein angemessener Vorrat zur Verfügung steht. Zur Berechnung zog die AOK die erwarteten Wirkstoffmengen heran. Gerechnet wurde mit durchschnittlichen Umsetzungsquoten von 70 Prozent im Ein-Partner-Modell und 90 Prozent im Drei-Partner-Modell. Entsprechend müssen Exklusivpartner 70 Prozent der Nachfrage abdecken können und Unternehmen im Drei-Partner-Modell jeweils 30 Prozent. Von dieser Menge müssen 15 Prozent zum Start der Verträge zur Verfügung stehen.
Der Branchenverband Pro Generika fordert seit Jahren, dass Rabattverträge nur mit ausreichend Vorlauf und stets im Mehrpartnermodell ausgeschrieben werden sollten. Ein Branchenkenner rechnet vor, dass für Wirkstoffbeschaffung und Produktion jeweils vier Monaten zu veranschlagen sind, für Lieferung und Freigabe mindestens ein weiterer Monat. „Sie können Ausfälle nicht kompensieren, weil sie die Prozesse gar nicht beschleunigen können.“
Metoprolol von Betapharm war 2011 das Paradebeispiel für einen misslungenen Start eines Rabattvertrags. Obwohl Betapharm nicht lieferfähig war, wurden bei der Kasse allein im Juni rund 30.000 Verordnungen über Metoprolol Succinat Beta abgerechnet – viele Apotheker hatten aus Angst vor Retaxationen den Rabattpartner aufs Rezept gedruckt, aber einen anderen Hersteller abgegeben.
Die AOK Baden-Württemberg schaltete nicht nur die Staatsanwälte ein, sondern wollte gegen Apotheken hohe Vertragsstrafen verhängen. Die Kasse scheiterte aber am Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) und Anfang des Jahres auch vor dem Sozialgericht Mannheim.
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