Während aktuell noch dringend vom Hamstern knapp verfügbarer Arzneimittel gewarnt wird, geht eine neue Handlungshilfe des Deutschen Apothekerverbands (DAV) zum Stromausfall komplett in die andere Richtung. Außerdem werden umfassende Erweiterungen des QMS-Ordners und Neuanschaffungen empfohlen.
Unterschieden wird bei Stromausfallsituationen, die über einen kurzen Ausfall hinausgehen, zwischen Blackout und Brownout. Während es bei einem Blackout zu einem eventuell bundesweiten und mehrere Tage anhaltenden Totalausfall kommt, bedeutet der Brownout lediglich eine Spannungsabsenkung und Verbrauchsreduktion, um einen Blackout abzuwenden.
Selbst in solchen Ausnahmesituationen muss die „ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung“ sichergestellt werden. Dazu stellt der DAV eine Handlungshilfe „Stromausfall“ zur Verfügung – das bedeutet vor allem die Aufbereitung aller betroffenen Prozesse im apothekeneigenen Qualitätsmanagementsystem (QMS) und viel Vorbereitung. Für die Risikoanalyse solle das gesamte Apothekenteam mit einbezogen werden, und „das gesamte Team ist dafür zu sensibilisieren, dass auch in einer solchen Ausnahmesituation die Patientenversorgung absoluten Vorrang hat“, so der Appell. Es sei aber wichtig, einen Ablaufplan entwickeln, um gleich zu Beginn des Stromausfalls Ursache und Umfang abklären zu können.
Egal ob Blackout oder Brownout: Für die Arzneimittelversorgung hieße ein Stromausfall, dass die Belieferung von E-Rezepten nicht möglich wäre, nur noch Papierrezepte könnten angenommen werden. Um auch ohne Strom Arzneimittelinformationen erhalten zu können, sei „die in der Apotheke vorhandene Fachliteratur daher dringend aktuell und verfügbar zu halten“, so der Handlungsleitfaden. An Securpharm solle so lange festgehalten werden, bis der Apotheker nach sorgfältiger Überprüfung feststellt, dass der Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig ist. Die Arzneimittelabgaben sollen aber dokumentiert werden.
„Nicht dringende Tätigkeiten und Abgaben“ sollen verschoben werden. Damit aber auf keinen Fall ein Betäubungsmittel (BtM) ohne unverzügliche entsprechende Dokumentation über Verbleib und Bestand abgegeben wird, sollten Dokumentationsblöcke zum schriftlichen Festhalten vorbereitet werden.
Um im Notfall die Arzneimittel aus dem Kommissionierautomaten hervorholen zu können, sollten alle Mitarbeiter:innen bezüglich des Betretens des Automaten geschult sein. Desweiteren sei durch das „Chaos-Prinzip“ bei der Lagerung eine aktuelle Liste der Lagerorte der Arzneimittel im Automaten für die Versorgung erforderlich – das könne zum Beispiel geschehen, indem die Liste regelmäßig automatisch auf vollgeladenen Laptop übertragen oder die Listen ausgedruckt würden.
Für die Kasse sollten ein Rechnungsblock und genügend „Wechselgeld auf Vorrat“ zur Verfügung stehen, damit Kund:innen bar zahlen können.
Die Prüfung von Ausgangsstoffen und die Rezepturherstellung wären ebenfalls eingeschränkt, außer der Abzug laufe gegebenenfalls über Wind- oder Solarenergie. Falls die Wasserversorgung ausfalle, könne auf Wasser zu Injektionszwecken zurückgegriffen werden. Waagen müssten für diesen Fall auch analog verfügbar sein und nicht bloß digital.
Auch für den Arzneimittel-Kühlschrank seien offene Fragen zu klären, auf jeden Fall solle der Beginn des Stromausfalls dokumentiert werden. Dann gilt es, temperaturempfindliche und zumeist teure Arzneimittel möglichst gut zu schützen: „Kann der Kühlschrank an einem anderen, kühleren Ort aufgestellt werden?“, steht unter anderem auf der Checkliste des DAV. Aber auch: „Wie lange bleibt die Innentemperatur stabil?“ Dabei sei „regelmäßig“ die Temperatur im Kühlschrank mit den bereit zu haltenden analogen Thermometern zu kontrollieren – hoffentlich ohne jedes Mal zum Ablesen die Tür öffnen zu müssen. Auch sei zu überprüfen, ob die Anschaffung eines batteriebetriebenen Kühlschranks „lohnenswert“ sein könnte.
Die Lagerung in Kühlboxen könnte laut DAV ebenfalls eine Option sein – solange der Ablauf vorher ausprobiert wurde. Patient:innen sollten im Beratungsgespräch darauf aufmerksam gemacht werden, sich rechtzeitig mit der Lagerung ihrer Arzneimittel in einer Ausnahmesituation zu beschäftigen – vielleicht gebe es „kommunale Sammelpunkte“ für die Lagerung?
Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten auch die Stabilitätsdaten von kühlkettenpflichtigen AM und Hochpreisern „bereit gehalten“ werden, vielleicht lassen sich diese ja noch im extra QMS-Ordner abheften.
Der DAV empfiehlt die „Wahl von mehreren Großhändlern mit mehreren Standorten“, um die Versorgung sicherstellen zu können, für die Lagerhaltung sei die „Prüfung und gegebenenfalls Anpassung des Lagerbestandes auf eine Notsituation“ erforderlich. Neben der schriftlichen Dokumentation der Kontaktdaten und spezieller Nummern, die im Notfall zu erreichen sein sollen, gelte es dabei auch, mit jedem Großhändler vorher individuell das Vorgehen abzusprechen.
Vorab möge ebenfalls geklärt werden, wie die Anwesenheit von pharmazeutischem Personal in der Apotheke sichergestellt werden kann, wenn eine Absprache zum Beispiel über das Telefon nicht mehr möglich sein sollte. „Wissen der Apothekenleiter und das Apothekenpersonal, wie sie im Falle eines Stromausfalles, bei einer Einschränkung des Straßen- und öffentlichen Nahverkehrs, in die Apotheke kommen?"
Um die Kommunikation mit der Außenwelt nicht gänzlich abreißen zu lassen, könnten Apothekerleiter:innen neben der Anschaffung eines batteriebetriebenen oder Kurbelradios auch über die Anschaffung eines Funkgerätes nachdenken, um Behördeninformationen zu erhalten. Auf jeden Fall sollte aber die Warnapp NINA vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Voraus heruntergeladen werden.
Auch mit Pflegeheimen und Krankenhäusern, die durch die Apotheke beliefert werden, sollte im Vorfeld eine Absprache zum gemeinsamen Vorgehen im Krisenfall getroffen werden. Um die Versorgung weiterhin gewährleisten zu können, sollten aktuelle Medikationspläne und Patientenlisten auch ausgedruckt zur Verfügung stehen – vielleicht kann auch ein Fahrrad angeschafft werden, um im Notfall die Belieferung sicherzustellen? Der aktuelle Apotheken-Notdienstplan sollte in Papierform vorliegen.
Die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) der EDV ermöglicht lediglich ein kontrolliertes Herunterfahren und eine Sicherung der Daten, ist aber keine Ersatzstromanlage. Im Vorfeld sollte auch die Versicherung auf eventuell Schäden durch den Stromausfall erweitert werden. Alle Sicherungen mögen beschriftet, nach Relevanz sortiert und die Ergebnisse im QMS dokumentiert werden.
Neben einer Bevorratung mit Wasserflaschen sollten auch ausreichend Taschenlampen, Stirnlampen und Campinglampen angeschafft werden – die Beleuchtung in der Apotheke schon jetzt durch LEDs ersetzt, falls noch nicht geschehen, um den Strombedarf möglichst gering zu halten. Darüber hinaus sollten alle Mitarbeiter:innen geschult sein, die Automatiktüren auch manuell öffnen zu können.
Abgesehen davon empfiehlt der DAV den „Austausch auf kommunaler Ebene“, nicht nur mit Apotheken in der näheren Umgebung. „Aufgrund der niederschwelligen Erreichbarkeit einer Apotheke ist zu erwarten, dass Patienten diese in einer Notfallsituation aufsuchen, um Informationen zu erhalten.“
Falls kein Notruf abgesetzt werden kann, weil auch die Feuerwehr nicht über das Telefon zu erreichen ist, so müsse die zuständige Wache persönlich aufgesucht werden. „Da die Feuerwehr zur kritischen Infrastruktur zählt, verfügen alle Feuerwehrhäuser über Notstromaggregate und sind über Funk miteinander verbunden.“ Für Apotheken sei hingegen davon auszugehen, dass diese „im Notfall nicht prioritär mit Notstrom versorgt werden.“
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