„Eine persönliche Kontrolle des Betreibenden der Hauptapotheke ist bei einer hohen Qualifikation der Filialapothekenleitungen nicht erforderlich.“ So lautet eine Kernaussage aus einem Positionspapier des BKK-Dachverbands zur geplanten Apothekenreform. Die Kassen sind der Meinung, dass PTA grundsätzlich auch alleine arbeiten können sollten und dass Filialgründungen auch auf Distanz ermöglicht werden sollten – zum Beispiel auf Basis einer Bedarfsplanung. Von der Abda wird mehr Transparenz gefordert.
Mit seinem Positionspapier will der BKK-Dachverband „dringende Impulse“ zur „Optimierung der flächendeckenden Versorgung durch Apotheken“ liefern. Die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Light-Apotheken ohne Approbierte zu erlauben und den Mehrbesitz auszuweiten, begrüßt der Kassenverband. Denn es sei „richtig, auch die Apothekenstruktur weiterzuentwickeln“.
Fünf Aspekte finden die Betriebskrankenkassen besonders wichtig:
- Ausbau von PTA-Kompetenzen: Dauerhafte(!) Vertretung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und zur Aufwertung des PTA-Berufs.
- Stärkung der Apothekenversorgung durch flexible Filialgründung: Es ist an der Zeit, die Apothekenversorgung durch agile Filialgründungen zu kräftigen!
- Transparenz der Apothekenstruktur erhöhen: Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) soll Klarheit über die regionale Verteilung der Apotheken schaffen!
- Flexibilisierung der Öffnungszeiten: ein Muss für eine effektivere Versorgung und zur Schaffung besserer Möglichkeiten für Apotheken, insbesondere in strukturschwachen Gegenden!
- Apothekenleitung zeitgemäß gestalten: Teilzeit zulassen!
Die Übertragung von erweiterten pharmazeutischen Kompetenzen auf qualifizierte PTA hat laut BKK-Dachverband viele Vorteile für die praxisnahe Versorgung von Patientinnen und Patienten. „Allerdings sind PTA mit Erfahrung – wie der Gesetzgeber andenkt – für eine langfristige Stabilisierung des Apothekenmarkts nicht ausreichend. Apothekeninhaber und -inhaberinnen würden zukünftig vorzugsweise Filial- oder Zweigapotheken alleine aus wirtschaftlichen Gründen mit PTA, statt mit einer Apothekerin oder einem Apotheker führen. Der Beruf der Apothekerin/des Apothekers würde dadurch abgewertet und verlöre an Attraktivität, insbesondere in strukturschwachen Regionen.“
Stattdessen fordere man daher eine zusätzliche Qualifizierung für PTA als Voraussetzung für die neuen Aufgaben, zum Beispiel über ein Aufbaustudium mit einem Bachelorabschluss oder eine Weiterbildung über die Apothekerkammern. Die genauen Inhalte sollten in den Ausbildungs- beziehungsweise Studienregelungen verankert werden.
Derart qualifizierte PTA sollten dann auch dauerhafte Vertretungen in Filialapotheken übernehmen können, wobei – analog zu Lauterbachs Plänen – eine telepharmazeutische Einbindung einer Apothekerin beziehungsweise eines Apothekers vorzusehen sei. Denn in fünf Jahren könnten 13.000 Apothekerinnen und Apotheker fehlen, so der Kassenverband mit Verweis auf Berechnungen den Abda. Mit mehr Befugnissen für PTA könnte dem Fachkräftemangel gerade in strukturschwachen Gebieten begegnet werden.
Nur kurzfristige Vertretungsmöglichkeiten würden dagegen dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung in strukturschwachen Regionen nicht gerecht: „Der Mangel an pharmazeutischer Versorgung in vielen ländlichen Regionen ist permanent vorhanden. Würde eine begrenzte Vertretungszeit enden, müsste die Apotheke im schlimmsten Fall wieder schließen, sofern keine Filialleitung gefunden würde.“
Laut den Kassen würde eine solche Neuregelung den PTA-Beruf attraktiver gestalten. „Die Förderung von Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten motiviert junge Menschen und spielt eine bedeutende Rolle bei ihrer Berufswahl. Mit den neuen Aufgaben für PTAs wird auch eine neue Anerkennung mit dem Berufsstand einhergehen. Auch aktuell leisten die PTAs in den Apotheken sehr viel für alle Betroffenen.“
„Es ist an der Zeit, die Apothekenversorgung durch agile Filialgründungen zu kräftigen!“ Die Beschränkung auf drei Filialen und die Begrenzung auf räumlich nahe gelegene Standorte sollten derzeit die persönliche Kontrolle des Inhabers oder der Inhaberin ermöglichen. Diese Regelungen könnten aber gelockert werden, so der Kassenverband. Denn: „Eine persönliche Kontrolle des Betreibenden der Hauptapotheke ist bei einer hohen Qualifikation der Filialapothekenleitungen nicht erforderlich. Dieses Kriterium erfüllen die eingesetzten Apothekerinnen und Apotheker bereits. Qualifizierte PTA könnten daher ebenfalls eingebunden werden.“
Dasselbe gilt aus Sicht der Betriebskrankenkassen dann auch für das Kriterium der örtlichen Nähe: „Um eine größere Flächendeckung zu erreichen, wäre die Gründung von Filialapotheken über Kreisgrenzen hinweg von Vorteil.“ Daher schlage man eine Definition von Entfernungen oder die Ausdehnung auf zwei oder drei Kreise vor.
Alternativ könnten Leitplanken formuliert werden. Als Beispiel dient den Kassen das Förderprogramm in Thüringen, das Anforderungen an die Einwohnerzahl oder die Entfernung zur nächsten Apotheke macht. „Diese Anpassungen haben insbesondere das Ziel, auch Patienten und Patientinnen in strukturschwachen Regionen ausreichend mit Arzneimitteln zu versorgen.“
Eine vereinfachte Gründung von Zweigapotheken, wie vom BMG geplant, wäre dann nicht mehr nötig.
Um die nötigen Entscheidungen treffen zu können, brauche es aber mehr Transparenz über die regionale Verteilung der Apotheken. „Auf dieser Basis können Entscheidungen getroffen werden, ob regional Apothekenstrukturen erhalten werden müssen, um einen Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln in Deutschland zu leisten. Die Abda sollte dabei eine führende Rolle übernehmen“, so die Betriebskrankenkassen.
Dasselbe gelte für die die Vergütung der Apotheken in den jeweiligen Regionen zu beleuchten. „Arzneimittel werden packungsbezogen vergütet. Davon profitieren in der Regel die Apotheken mit vielen Rezepten. Ob tatsächlich Apotheken in strukturschwachen Regionen in Summe weniger Geld erhalten, ist seit Jahren ungeklärt.“
Die Forderung lautet daher: „Die Abda sollte transparente Informationen über die Apotheken bereitstellen, um eine bessere Einsicht in die finanziellen Aspekte des Apothekenbetriebs in unterschiedlichen Regionen zu ermöglichen. Dies fördert nicht nur das Verständnis für die ökonomischen Herausforderungen, sondern trägt auch dazu bei, Missverständnisse und Intransparenz zu minimieren.“ Mehr Transparenz sei ein „wesentliches Instrument, um eine verbesserte und effektivere Apothekenversorgung zu fördern“.
Lauterbach will laut seinen Eckpunkten flexible Öffnungszeiten erlauben, die sich an den vorhandenen Personalressourcen und den Bedürfnissen der lokalen Versorgung orientieren. Das finden die Betriebskrankenkassen gut: „Individuelle Öffnungszeiten verbessern nicht nur die finanzielle Situation der Apotheken, sondern steigern auch die Qualität der Versichertenversorgung vor Ort.“
Um sicherzustellen, dass die Erreichbarkeit gewährleistet bleibt, seien jedoch Mindestvorgaben erforderlich. „Diese Flexibilisierung sorgt für eine ausgewogene Balance zwischen den Bedürfnissen der Apothekenbetreiber und -betreiberinnen und der lokalen Versorgung.“
Und auch Notdienste sollten weiterhin ein regulärer Bestandteil auch in ländlichen Regionen sein. „Anderenfalls wird die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die ein Arzneimittel dringend außerhalb der Öffnungszeiten benötigen, erschwert, statt erleichtert.“
Die Apothekenleitung schließlich sollte zeitgemäßer gestaltet werden. Aktuell gebe es teilweise keine Genehmigungen für Teilzeitmodelle, auch eine Aufteilung auf mehrere Personen sei daher nicht möglich. „Diese Einschränkung ist besonders problematisch, wenn man bedenkt, dass nahezu drei Viertel Apothekerinnen sind. Mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wird nicht nur die Geschlechtergerechtigkeit erhöht, sondern auch die Versorgungssituation mit Arzneimitteln verbessert.“
APOTHEKE ADHOC Debatte