BKK-Vorstand Franz Knieps hat sich in die Debatte um die zunehmende Präsenz von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) eingemischt. Die Diskussion sei verlogen, kritisiert der Jurist, es gebe keine empirische Evidenz dafür, dass institutionelle Anleger ihrem Versorgungsauftrag schlechter nachkommen würden als selbstständige Heilberufler. Knieps war als Abteilungsleiter unter SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt maßgeblich für der Einführung der MVZ verantwortlich.
MVZ entwickeln sich derzeit zu einem Schreckgespenst für zahlreiche Ärzte und Fachärzte. Die Zentren haben oftmals millionenschwere Investoren im Rücken und machen den Praxen insbesondere in den lukrativen Innenstadtlagen Konkurrenz. Groß- und Finanzinvestoren drängen mit ihren Milliarden in den renditeträchtigen Markt. Zuletzt hatte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) vor dem „ungehinderten Zustrom versorgungsfremder Investoren“ gewarnt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) solle der „Goldgräberstimmung“ Einhalt gebieten, fordert KZBV-Chef Dr. Wolfgang Eßer.
Dem hält Knieps nun energisch entgegen. „Diese Differenzierung, woher das Geld kommt, ist absurd“, so der Gesundheitsexperte gegenüber dem Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (AKM). Er halte es für „schlichtweg nicht seriös“, dass „derjenige, der das Geld in einer Einzel- oder Gemeinschaftspraxis verdient, damit prahlen darf […], dass aber andere, die das Geld institutionell anlegen und dafür eine Rendite von 5 Prozent haben wollen, Heuschrecken sind“. Dennoch könne er sich vorstellen, dass es „Firewalls“ bedürfe, um die Zahl der MVZ-Betreiber und -Inhaber, die keinen Bezug zu Gesundheitswesen haben, gering zu halten. Gleiches gelte, wenn ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung in einem Versorgungsgebiet erlangt. „Denn ich will nicht nur von einer Kette im Land bedient werden.“ Eßer hatte vor Monopolisierung und einer Verschlechterung der Versorgung dadurch gewarnt.
Dabei lag die Betonung offensichtlich eher auf „einer“ als auf „Kette“. Denn den Gegensatz zwischen selbstständigen Praxen und Investoren will Knieps so nicht gelten lassen: So werde Kapitalinvestoren „auch seitens der Politik gerne unterstellt, sie seien nur am schnellen Gewinn interessiert, würden den Markt aussaugen und dann wieder verschwinden und Versorgungsprobleme hinterlassen. Das ist eine sehr steile These. Dazu hätte ich gerne mal die historische Evidenz.“ Die KZBV hatte den Investoren vorgeworfen, ihr Businessplan sei berechnend: Schnelle Marktdurchdringung, Renditeoptimierung der aufgekauften Einheiten, das Investment dann nach einer Haltezeit mit hohem Gewinn veräußern. Bedarfsorientierte Versorgung und Patientenwohl stünden dabei kaum im Fokus. Hier werde nicht langfristig investiert, sondern „kurzfristige Rendite angestrebt“. Z-MVZ in der Hand von Investoren konzentrierten sich statt auf umfassende Betreuung besonders auf renditestarke Bereiche wie Implantologie oder aufwendigen Zahnersatz.
Knieps hingegen betont, er sehe diese Gefahr nicht. Im Gegenteil seien die kleinen Praxen mindestens genauso profitorientiert wie die Investoren. „Denn auch die einzelne Arztpraxis – sei sie noch so klein – strebt natürlich nach Gewinn. Und manchmal ist dieses Gewinnstreben hemmungsloser als bei einer größeren Firma, die öffentlich Rechenschaft ablegt, eine Bilanz aufstellt und sich in die Karten schauen lässt“, so der 62-Jährige. Auch die Kritik an der regionalen Konzentration der MVZ teilt Knieps nicht. „Wir beobachten, dass solche Z-MVZ regional stark konzentriert sind und sich vor allem in Großstädten und einkommensstarken ländlichen Regionen ansiedeln“, hatte KZBV-Chef Eßer kürzlich angeprangert. „In Kombination mit dem demografischen Wandel können so Engpässe in ländlichen, strukturschwachen Gebieten entstehen.“
Dem hält der BKK-Chef entgegen, dass es sich nur um einen „Mythos“ handele, der sich hartnäckig hält. Als Beleg für den Mythos werde angeführt, dass nur 20 bis 30 Prozent dieser Zentren auf dem Land sind. „Ja, klar!“, sagt Knieps dazu, „in dieser Republik leben ja auch nur zwanzig bis dreißig Prozent der Menschen auf dem Land!“ Im Übrigen seien es eben häufig die MVZ, die Zweigpraxen auf dem Land eröffnen, rollierende Praxen ins Leben rufen und dann zum Beispiel Gemeindehäuser anfahren. „Solche Ideen sind aus der Einzelarztpraxis nicht zu erwarten.“
Laut Knieps genauso wenig zu erwarten: dass kleine Einzelpraxen die großen Summen stemmen können, die vor allem für die Modernisierung von fachärztlichem Gerät notwendig sind. „Kaum ein junger Mediziner, selbst wenn er aus besten Verhältnissen stammen sollte, kann die Mittel aufbringen, die es braucht, um sich permanent auf dem Laufenden zu halten“, hier sei das Investorenkapital der Schlüssel. Auch den Zahnärzten gibt er noch einen gezielten Seitenhieb mit. Diese würde er fragen, „warum ihre eigenen Rechenschaftsberichte das Paradies aufzeigen und jetzt die Politik Maßnahmen ergreifen soll, um das Paradies zu schützen: Eva hat in den Apfel gebissen und das Paradies ist offen für Alle!“
Die Zahnärzte hatten erst kürzlich von Gesundheitsminister Jens Spahn gefordert, im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) die Gründungsberechtigung von Kliniken für zahnärztliche MVZ auf „räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge zu beschränken“. Abgesehen von Wirtschaftsinteressen gebe es nämlich keinen plausiblen Grund, „warum über eine Klinik ohne zahnärztlichen Versorgungsauftrag in Schleswig-Holstein eine Z-MVZ-Kette am Tegernsee gegründet werden soll“, so Zahnärzte-Chef Eßer. Zugleich fordern die Zahnärzte größeren Spielraum für die bestehenden Praxen: Derzeit können pro niedergelassenem Zahnarzt nur maximal zwei angestellte Zahnärzte tätig werden. Diese Grenze soll gelockert werden: Die Zahl angestellter Zahnärzte soll auf vier Vollzeitbeschäftigte oder entsprechend mehr in Teilzeit erhöht werden.
Dass Spahn den Forderungen der Zahnärzte entgegenkommt, ist fraglich: Auf Anfrage der Grünen bestätigte das BMG kürzlich zwar, dass Z-MVZ in der Regel regional und überwiegend in Ballungsräumen gegründet werden. Allerdings: „Dies ist aber weder eine Besonderheit zahnärztlicher MVZ, noch eine Besonderheit von MVZ insgesamt. So befindet sich beispielsweise auch die überwiegende Zahl der ärztlichen und zahnärztlichen Berufausübungsgemeinschaften (BAGen) in Großstädten sowie Ballungsräumen, da sich Praxen mit mehreren (Zahn-)Ärzten, insbesondere, wenn diese einer Fachgruppe angehören, dort ansiedeln, wo sie auch eine entsprechend hohe Anzahl von Patientinnen und Patienten versorgen können. Gerade in ländlichen Regionen mit einer nur geringen Bevölkerungsdichte sind sowohl MVZ als auch BAGen in der Regel seltener anzutreffen."
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