Müssen Apotheken bald auch Biosimilars austauschen? Ärzte, Apotheker und Industrie sind dagegen, doch es gibt den gesetzlichen Auftrag. Am Ende der gestrigen Anhörung war der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) so schlau wie zuvor. Fragen hatte er insbesondere an die Zyto-Apotheken.
Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) war im Jahr 2019 der Austausch von Biosimilars eingeführt worden, Stichtag für eine entsprechende Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) soll der 16. August 2022 sein. Im Stellungnahmeverfahren war der Konflikt zwischen Kassen auf der einen und Pharmaindustrie, Ärzten und Apothekern auf der anderen Seite nicht zu übersehen. Hecken deutete bereits vor Wochen eine Kompromisslösung an.
Wie die Kassen sieht auch er die Notwendigkeit für umfassende Einsparungen in diesem Bereich: In den kommenden Jahren würde Biopharmazeutika mit einem jährlichen Umsatzvolumen von 4 Milliarden Euro patentfrei – hier sei aber eben nicht mit einem ähnlichen Preisverfall wie bei Generika zu rechnen: Statt auf 5 Prozent komme man vielleicht auf 25 Prozent des Originalpreises, was auch mit den Herstellungskosten zu tun habe. „Aber wenn solche Entlastungseffekt wegfallen, müssen wir gut überlegen, wie wir damit umgehen wollen, und uns einer Austauschbarkeit nähern, ohne das Patientenwohl zu gefährden“, so Hecken im Mai.
Weil aber eben auch Risiken bestünden, wenn Patient:innen bei solchen Therapien in der Apotheke umgestellt würden, schwebe ihm ein „einschleichendes“ Modell vor. So könne er sich vorstellen, den Austausch bei der Verwendung in Apothekenzubereitungen stringenter zu behandeln als bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln. „Es wird einen gewissen Spielraum geben.“ Bei der gestrigen Anhörung fragte er dann auch beim Verband der Zytostatika-zubereitenden Apotheken (VZA) nach, ob man sich ein solches Modell vorstellen könne. Am Ende war die Debatte aber kein Stück vorangekommen.
„Die Anhörung scheint alle – inklusive G-BA – ratlos zurückzulassen“, so Dr. Christopher Kirsch, stellvertretender Vorsitzender der AG Pro Biosimilars: „Das gesetzliche Mandat zur Umsetzung der Biologika-Substitution kommt einem gordischen Knoten gleich. Der G-BA kann ihn nicht lösen, ohne dass die Therapiequalität und -sicherheit für die Patient:innen Schaden zu nehmen droht. Die Politik muss daher die auch nach drei Jahren unverändert kontroverse Debatte zum Anlass nehmen und die gesetzliche Vorgabe der Substitution streichen.“
Tatsächlich hat eine Äußerung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die „breite Phalanx“ aus Ärzten, Apothekern und Herstellern hellhörig gemacht. „Wir werden uns intensiv damit auseinandersetzen“, erklärte er vor Kurzem im Youtube-Kanal „Breaking Lab“ des Herstellers Biogen: „In dieser Frage sichten wir derzeit noch die Literatur. Mein Gefühl ist, dass ein größeres Vertrauen hergestellt werden kann, wenn diese Entscheidung zum Schluss bei Ärzten getroffen wird und nicht in der Apotheke.“
Wie aber könnte das Problem gelöst werden? Im Grund hätte Lauterbach, wenn er denn wöllte, zwei Möglichkeiten:
Laut Pro Biosimilars kann der G-BA die Herausforderung nicht lösen, es brauche einen politischen Eingriff. Die Anhörung über zwei Stunden und mit rund hundert Teilnehmenden habe ganz klar offenbart: „Es bestehen unverändert massive Bedenken bei Ärztinnen und Ärzten, in der Apothekerschaft und in den Unternehmen zur Umsetzung der Substitution.“
Auffallend sei übrigens das Tempo, das der G-BA bei diesem Verfahren vorlege. Habe er sich bei dem Verfahren, in dem es um den Austausch der Biosimilars durch den Arzt ging, 15 Wochen Zeit genommen, um vor der Anhörung sämtliche Unterlagen zu prüfen, seien es jetzt – wo es um den Austausch in der Apotheke geht – nur sieben Wochen gewesen. „Und das, obwohl das aktuelle Verfahren deutlich komplexer, folgenschwerer und vor allem strittiger ist.“
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