„Aufregung bei den Apothekern!“ So titelt die Bild in einem Bericht über das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi).
„Da beklagen sie sich jahrelang über schlechte Bezahlung und Apothekensterben“, schreibt Bild. Und jetzt werde ihnen im BMWi-Gutachten vorgerechnet, dass sie 1,1 Milliarden Euro pro Jahr zu viel von den Krankenkassen bekämen.
„Mit der berechneten Anpassung der AMPreisV sind Einsparungen der Kostenträger von insgesamt 1,1 Milliarden Euro verbunden, obwohl in vielen Vergütungskomponenten wesentliche Erhöhungen berechnet sind“, zitiert Bild, der nach eigener Angabe Auszüge des Gutachtens vorliegen.
Insbesondere der Fixzuschlag von 8,35 Euro stehe in keinem Verhältnis zur tatsächlich geleisteten Arbeit, so Bild. Die Gutachter hätten hier ein Einsparpotenzial von insgesamt 1,896 Milliarden Euro pro Jahr ausgemacht. Für Not- und Nachtdienste bekämen die Apotheker dagegen deutlich zu wenig.
Obwohl die Studie schon lange überfällig sei, sei sie bislang nicht veröffentlicht worden, so Bild weiter. Das BMWi habe dazu erklärt, das Gutachten sei „noch nicht final abgenommen“. Das Verfahren laufe noch, wird ein Sprecher zitiert.
Auch die ABDA, die sich bislang partout nicht äußern wollte, kommt zu Wort: Dass die Zahlen aus dem Gutachten schon jetzt öffentlich würden, rieche „nach Foulspiel, auch innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung“, wird ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zitiert. Der ABDA liege das Gutachten noch nicht vor.
Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC kommt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im 2hm-Gutachten nicht gut weg: Demnach hat das Ministerium jahrelang „übersehen“, dass das Apothekenhonorar deutlich über dem in der BMG-Statistik ausgewiesenen Wert liegt. Der von 2hm ermittelte Honorarüberhang betrug danach jährlich 1,7 bis 2 Milliarden Euro. Aktuell beträgt das ausgewiesene, von den Krankenkassen gezahlte Honorarvolumen rund fünf Milliarden Euro. Die Krankenkassen seien „aus allen Wolken gefallen“, heißt es.
Das 2hm-Gutachten wurde im BMWi unter Hinzuziehung von Experten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) geprüft. Dem Vernehmen nach soll die Höhe des Honorarüberschusses „geglättet“ werden. Derzeit führt immer noch Brigitte Zypries (SPD) geschäftsführend das BMWi. Sollte sich die SPD entschließen, in irgendeiner Form an einer Regierungsbildung mitzuwirken, könnte die SPD-Politikerin noch für längere Zeit das Ministerium leiten. Eine Veröffentlichung sollte es deswegen erst dann geben, wenn Klarheit über die politischen Verhältnisse herrscht.
Die SPD hatte schon im Rahmen der Jamaika-Verhandlungen gefordert, dass sich die Parteispitzen von Union, FDP und Grünen auch um das Thema Apothekenhonorar kümmern sollten. Vor allem solle das BMWi-Gutachten berücksichtigt werden. Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche steht die SPD jetzt womöglich selbst vor einer neuen Regierungsbeteiligung. Heute Abend sind die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, um die Chancen auf eine Fortführung der Großen Koalition auszuloten.
Nach Angaben des Deutschen Apothekerverbands (DAV) betrug das Apothekenhonorar im Jahr 2016 rund fünf Milliarden Euro. Es ist in den vergangenen Jahren zwar kontinuierlich gestiegen, allerdings nach DAV-Berechnungen langsamer als beispielsweise die GKV-Einnahmen oder das Bruttoinlandsprodukt. Der Honoraranstieg liegt auch unterhalb der Inflationsrate und dem Anstieg der Tariflöhne in den Apotheken.
Laut ABDA betrug der Apothekenumsatz 2015 47,8 Milliarden Euro ohne Mehrwertsteuer. Davon entfielen 44,6 Milliarden Euro (93,3 Prozent) auf Arzneimittel und davon wiederum 39,8 Milliarden Euro (83,3 Prozent) auf rezeptpflichtige Arzneimittel. Das Betriebsergebnis einer durchschnittlichen Apotheke lag im vergangenen Jahr nach ABDA-Zahlen bei 142.622 Euro. Das entspricht zwar einer Steigerung von 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, doch das steuerliche Betriebsergebnis ist weiter im Sinkflug: 2016 lag es nur noch bei 6,4 Prozent. Seit 2013 ist dieser Wert jährlich um 0,1 Prozentpunkt gefallen. Der Wareneinsatz lag 2016 bei 75,8 Prozent (2015: 75,5 Prozent).
Dass sich die Gewinne der Apotheken im vergangenen Jahr überhaupt noch positiv entwickelt haben, ist der ABDA zufolge den Marktaustritten zuzuschreiben. Denn natürlich profitieren die Überlebenden vom Apothekensterben. Im ersten Quartal 2017 ist die Zahl der Apotheken erstmals seit 1990 unter die magische Grenze von 20.000 gefallen.
Der Trend zeigt weiter abwärts. Dr. Eckart Bauer, ABDA-Abteilungsleiter im Bereich Wirtschaft, Soziales und Verträge erinnerte beim DAV-Wirtschaftsforum im Frühjahr daran, dass das Fixhonorar der Apotheker seit 2013 nicht angepasst wurde. Für 2017 sei also beim Betriebsergebnis allenfalls eine geringe Steigerung zu erwarten – „wenn es gut läuft“.
Der Netto-Umsatz einer durchschnittlichen Apotheke ist 2016 auf 2,22 Millionen Euro gestiegen. Allerdings zeigt ein Vergleich zur „typischen Apotheke“ aus der häufigsten Umsatzklasse, dass immer weniger Apotheken diesen Durchschnittswert tatsächlich erreichen: 61 Prozent der Apotheken liegen in Wahrheit unter dem rechnerischen Mittelwert.
Der Vergleich mit der Umsatzverteilung von vor drei Jahren zeigt deutlich, dass der Anteil der besonders großen Apotheken überproportional zugenommen hat. Und während die „typische Apotheke“ seit 2002 ihren Umsatz um 52,1 Prozent steigern konnte, wuchs die „Durchschnittsapotheke“ um 64,3 Prozent. Mit anderen Worten: Die Schere geht auseinander.
In den vergangenen Wochen hatte sich bereits herumgesprochen, dass die BMWi-Gutachter zu einem für die Apothekerschaft problematischen Ergebnis kommen würden. „Damit lassen sich keine weiteren Honorarwünsche begründen“, hieß es. Allerdings übersteigt die jetzt im Raum stehende Summe von bis zu zwei Milliarden Euro alle Erwartungen.
Ziel des Forschungsprojekts ist laut BMWi die Entwicklung einer Datenbasis, die eine differenzierte Betrachtung und Bewertung der wirtschaftlichen Lage von Apotheken erlaubt. Demnach soll geprüft werden, ob und in welchem Ausmaß Änderungen „aller in der AMPreisV geregelten Preise und Preiszuschläge für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ nötig sind.
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