Das Schicksal der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel hängt am Marktanteil der ausländischen Versandapotheken. Wird ihr Einfluss auf das hiesige Marktgeschehen zu groß, lässt sich der Festpreis auch national nicht mehr begründen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Bis es so weit ist, müssen sich deutsche Versandapotheken aber weiter an die Preisbindung halten. Ein Bonusmodell von Apotal wurde verboten. Allerdings bleibt die klagende Apothekerkammer Nordrhein trotzdem auf ihren Abmahnkosten sitzen.
Apotal (Bad-Apotheke, Bad Rothenfelde) hatte den eigenen Kunden eine Prämie in Höhe von 10 Euro geboten, und zwar für jeden von diesen geworbenen Neukunden. Aus Sicht der Apothekerkammer Nordrhein ist das unzulässig, sofern das Angebot verschreibungspflichtige Arzneimittel umfasst. In letzter Instanz gab der BGH der Kammer in der Sache recht. Jetzt liegt die Begründung des Urteils vom 29. November vor.
Die Sache mit den Boni war schnell geklärt: Die Prämienauslobung ist demnach ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Die Werbung stelle einen Zusammenhang zwischen der Bestellung von Arzneimitteln und dem Erhalt der Prämie her. Der BGH sieht auch die mittelbare Beeinflussung erfasst: „Der Vorteil besteht darin, dass der neue Kunde dem Werbenden durch den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels die ausgelobte Werbeprämie verschafft“, so der BGH. Dies lasse das Rx-Arzneimittel bei Apotal günstiger erscheinen als bei einer anderen Apotheke, was aus Sicht der Karlsruher Richter den wettbewerbsrechtlichen Verstoß begründet.
Apotal hatte vorgetragen, es handele sich um reine Imagewerbung, da kein konkretes Arzneimittel beworben werde. Aber auch damit drang die Versandapotheke beim BGH nicht durch. Denn der zitierten EU-Arzneimittelrichtlinie sei nicht zu entnehmen, dass nur die Werbung für ein einzelnes Produkt verboten, für das gesamte Sortiment dagegen erlaubt sei. Sofern eine Werbebotschaft das Ziel habe, Abgabe oder Verkauf von Arzneimitteln zu fördern, handele es sich um Werbung im Sinne der Richtlinie, so der BGH. Ein unsachgemäßer Gebrauch von Medikamenten könne demnach auch durch eine pauschale Werbung gefördert werden.
Der Verstoß gegen die Preisbindung war also aus Sicht des BGH klar gegeben. Apotal findet aber, dass diese unwirksam geworden ist mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Rx-Boni der niederländischen Versandapotheke DocMorris. Doch die beim BGH ohnehin ungeliebte EuGH-Entscheidung hat den Karlsruher Richtern zufolge keine Bedeutung für rein innerstaatliche Fälle. Die Frage der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU ist nämlich nicht berührt.
Damit liege aber ein Fall von Inländerdiskriminierung vor, trug Apotal vor. Doch aus Sicht des BGH führt das EuGH-Urteil zu keiner am Maßstab des Grundgesetzes gemessenen „verfassungswidrigen Ungleichbehandlung deutscher Versandapotheken gegenüber Versandapotheken aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union“. Eine ungleiche Behandlung ist demnach möglich, sofern sie sich auf einen vernünftigen Grund zurückführen lässt. Und für die – wenn auch beschränkte – Anwendung der Preisbindung gibt es aus Sicht des BGH eben durchaus einen sachlichen Grund, nämlich der Sicherstellung einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Während diese Lesart vom Bundesverfassungsgericht schon abgesegnet wurde, hatte der EuGH die Begründung als nicht stichhaltig angesehen.
Doch zumindest innerhalb der eigenen Grenzen kommt dem Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit zu, welche Mittel er für geeignet hält. Und bislang sei er von der Preisbindung nicht abgerückt, sondern habe sie in einem Halbsatz in der Begründung zum AMVSG im Mai 2017 sogar noch einmal bekräftigt, argumentierte der BGH. In einem anderen Verfahren werden aktuell sogar weitere Argumente von der Bundesregierung abgefragt.
Der BGH hat aber auch deutlich gemacht, dass dieser Zustand nicht so bleiben muss: Die Verhältnismäßigkeit der Preisvorschriften werde in Frage gestellt, wenn der Konkurrenzdruck der „privilegierten“ Anbieter aus dem EU-Ausland zu groß sei und der Zweck der Preisbindung damit nicht aufrecht gehalten werden könne: „Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass der Wettbewerbsdruck [...] die Beschränkungen für inländische Apotheken so schwerwiegend werden lässt, dass sie mit den gesetzgeberischen Regelungszielen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis stehen.“
Erst wenn „eine ernsthafte Existenzbedrohung inländischer Präsenzapotheken eintreten würde und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr gewährleistet wäre“, entstünde laut BGH eine verfassungsrechtlich relevante Änderung der Verhältnisse. Man könnte auch sagen: Nur der Tod schützt vor dem Sterben.
Auch wenn die Apothekerkammer Nordrhein sich damit durchgesetzt hat, bleibt sie auf den Abmahnkosten sitzen. Das Landgericht Osnabrück hatte den angesetzten Streitwert schon von 100.000 auf 20.000 Euro gestutzt und damit auch nur 594 Euro Abmahnkosten veranschlagt – statt wie von der Kammer gefordert 2349 Euro. Doch aus Sicht des BGH hätte die Kammer für den „typischen und auch nur durchschnittlich schwer zu verfolgenden Verstoß“ gar nicht erst die Hilfe einer externen Kanzlei in Anspruch nehmen müssen, sondern die Sache von einem Hausjuristen erledigen lassen können. Fiktive Kosten für den Einsatz eigenen Personals konnte die Kammer auch nicht verrechnen.
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