Wie sauber muss die Versandapotheke Vitalsana ihre Werbung vom Mutterkonzern Schlecker trennen und darf die Versandapotheke für die Beratung der Patienten Geld verlangen? Mit diesen und weiteren Fragen zum Geschäft der Versandapotheke hat sich heute der Bundesgerichtshof (BGH) befasst. Ebenfalls umstritten war bei der Verhandlung, ob Vitalsana maßgebliche Aktivitäten in Deutschland – und damit ohne die notwendige Betriebserlaubnis – ausführt. Wann der BGH seine Entscheidung verkünden wird, steht noch nicht fest.
Die Karlsruher Richter äußerten Zweifel, ob die Versandapotheke ihrer Beratungspflicht gerecht werde, wenn für die telefonische Beratung der Kunden 14 Cent pro Minute veranschlagt würden. Der Vorsitzende Richter, Professor Dr. Joachim Bornkamm, hatte schon in seinen einleitenden Worten angekündigt, dass Vitalsana „noch einige Überzeugungsarbeit“ würde leisten müssen. Schließlich sei die Pflicht zur Beratung gesetzlich vorgeschrieben, und eine Betreuung per Mail könne den Anforderungen kaum gerecht werden.
Vitalsanas Anwälte hatten zunächst versucht, die Telefongebühren als „gesamtwirtschaftliche Mischkalkulation“ zu verkaufen. Dafür sei die Versandapotheke in anderen Bereichen günstiger. Bornkamm hatte gekontert: „Ich weiß nicht, ob das das bestes Argument ist, das Sie im Köcher haben.“
Die Versandapotheke hatte auch darauf abgestellt, der Gesetzgeber habe die Beratungspflicht bei der Freigabe des Versandhandels nicht genau bestimmt. Darüber hinaus sei fraglich, ob ausländische Anbieter überhaupt an die deutschen Vorschriften gebunden seien, so die Vitalsana-Anwälte mit Verweis auf das laufende Verfahren zur Reichweite der Arzneimittelpreisbindung.
Die Vertreterin der Wettbewerbszentrale hatte dieses Argument als „Nebelkerze“ verworfen: Die Beratungspflicht habe nichts mit der Preisbindung zu tun, sondern gehöre zu den „essentiellen und originären Pflichten eines Apothekers“ – die in Präsenzapotheken erhebliche Kosten verursache. Mit der Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) habe der Gesetzgeber zudem eindeutig bestimmt, dass Versandapotheken eine kostenlose telefonische Beratung anbieten müssten.
Gestritten wurde auch um Werbeanzeigen von Schlecker mit integrierter Vitalsana-Werbung sowie die Bestellvorlagen der Versandapotheke. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale wird Verbrauchern damit suggeriert, Schlecker sei der Vertragspartner. Die Vitalsana-Anwälte sahen angesichts der Integration des europäischen Binnenmarktes dagegen keine Notwendigkeit, jedes Mal darauf hinzuweisen, dass es sich bei Vitalsana um eine niederländische Versandapotheke handele.
Bornkamm zufolge könnten Verbraucher aber tatsächlich darauf schließen, dass es sich bei Vitalsana um eine deutsche Versandapotheke handele. „Es ging der Beklagten schon darum, den ausländischen Sitz nicht in den Vordergrund zustellen“, so der Vorsitzende.
Eher am Rande wurde auch die Frage behandelt, ob Vitalsana in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) festlegen darf, dass bei Streitigkeiten niederländisches Recht gilt. Vitalsana zufolge ist dies weder unangemessen noch überraschend, schließlich profitiere der Kunde auch davon, dass sein Vertragspartner seinen Sitz im Ausland habe. Die Wettbewerbszentrale hatte darin hingegen eine Benachteiligung der Verbraucher gesehen.
Der BGH will am späten Nachmittag eine Entscheidung bekannt geben. Prozessbeobachter gehen aber davon aus, dass die Richter noch nicht in der Sache entscheiden, sondern nur einen Verkündungstermin bekannt geben werden. Die Frage des Apothekenbetriebs ohne Erlaubnis könnte sogar an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.
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