Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Jameda die Daten einer Ärztin vollständig löschen muss. Eine Dermatologin aus Köln hatte gegen das Arztbewertungsportal geklagt. In den Vorinstanzen war sie noch unterlegen. Experten zufolge ist das Urteil richtungsweisend.
Der BGH entschied heute, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Medizinerin in diesem Fall Vorrang vor dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit hat. Jameda muss nun sein Werbemodell überarbeiten. Es gereichte dem Portal nämlich zum Nachteil, dass sein Geschäftsmodell Ärzte begünstigt, die für Werbung bezahlen. Damit habe die Seite die Neutralität verlassen, die für Bewertungsportale geboten ist, und somit kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Nutzung der Daten der Ärztin. Kurz gesagt: Wenn Jameda zahlende Ärzte besser stellt und bewirbt, kann es sich nicht mehr als neutraler Informationsvermittler bezeichnen.
Die Hautärztin fühlte sich von Jamedas Geschäftsmodell ungerecht behandelt und sah sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Denn auf dem Portal können zahlende Ärzte auf den Profilen nicht zahlender Ärzte für sich werben lassen – umgekehrt sind die zahlenden Ärzte jedoch vor Werbung der Konkurrenz geschützt. Insbesondere stieß ihr auf, dass konkurrierende Hautärzte in der unmittelbaren Umgebung beworben wurden. Außerdem können Ärzte, die monatlich zwischen 59 und 139 Euro für ein Premiumprofil zahlen eine ausführliche Selbstdarstellung inklusive Foto hochladen, während bei Ärzten, die nichts zahlen, lediglich Basisdaten wie Fachrichtung, Adresse und Name angegeben werden.
Viele Juristen sehen in der BGH-Entscheidung ein Grundsatzurteil, das Auswirkungen für Ärzte, Verbraucher und ähnliche Vergleichsportale hat. „Das Urteil ist ein Meilenstein für viele Ärzte“, schreibt beispielsweise Dr. Volker Herrmann von der Kanzlei Terhaag & Partner. Denn Ärzte und Zahnärzte könnten nun bedeutend leichter die Löschung ungeliebter Einträge erwirken, sobald das jeweilige Portal die Daten für werblich-kommerzielle Zwecke nutzt – und das tun die meisten.
Doch auch die Verbraucher würden von dem Richterspruch profitieren, so Herrmann. Denn: „Kommerzielle und werbliche Angebote werden voraussichtlich zukünftig streng von dem reinen Informationsangebot zu trennen sein.“ Damit dürfte es für Nutzer bald leichter erkennbar sein, ob es sich bei einer Seite um ein neutrales Informationsangebot handelt oder um eine bezahlte Werbeveröffentlichung.
Arbeit kommt indes auf Jameda & Co. zu. Nicht nur sind viele Löschanträge zu erwarten, die bald bearbeitet werden müssen. Auch werden sich „Struktur und Angebot“ der Portale grundlegend ändern müssen, wenn sie wieder die Privilegien eines neutralen Informationsanbieters in Anspruch nehmen wollen, so der Fachwanwalt. Wie die Nachrichtenseite Spiegel Online unter Berufung auf das Unternehmen berichtet, habe Jameda bereits beschlossen, in Zukunft keine Werbung zahlender auf den Seiten nicht zahlender Ärzte anzuzeigen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Jameda vor Gericht steht. Noch 2014 hatte der BGH in einem ähnlichen Fall zugunsten des Portals geurteilt. Damals wollte ein Gynäkologe die Löschung seines Profils erwirken – doch die Richter entschieden, dass es keinen Anspruch darauf gebe, auf solchen Portalen nicht bewertet oder aufgelistet zu werden. Denn sofern der Inhalt nicht rechtswidrig ist, verstoßen diese weder gegen Datenschutzrecht, noch gegen die Persönlichkeitsrechte des Bewerteten. Aus prozessualen Gründen hatte der BGH damals jedoch auf eine Berücksichtigung der kommerziellen Verwertung der Daten verzichtet. Die beiden Vorinstanzen im Prozess der Dermatologin – das Landes- und das Oberlandesgericht Köln – hatten sich in ihren Entscheidungen auf dieses Urteil des BGH berufen.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass Jameda vor Gericht unterliegt: Vergangenen Juli entschied das Landgericht München, dass die Burda-Tochter eine schlechte Bewertung eines Zahnarztes zurücknehmen muss. Das Portal konnte die Bewertung nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend verifizieren. Die Beweislast für negative Schilderungen liege jedoch bei Jameda, so die Richter. Kann der geschilderte Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, dürfen deshalb auch die damit zusammenhängenden Formulierungen und Noten nicht mehr veröffentlicht werden.
APOTHEKE ADHOC Debatte