BfArM sieht „keinen konkreten Handlungsbedarf“ Nadine Tröbitscher, 04.03.2020 12:46 Uhr
Galt Deutschland einst als Apotheke der Welt, werden heute die Wirkstoffe zum Großteil in Asien produziert. Aufgrund der SARS-CoV-2-Krise stehen in China vor allem in der Provinz Hubei die Maschinen still. Ob dies potentielle Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung in Deutschland haben könnte, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in der vergangenen Woche auf dem Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ bewertet.
Die Experten stellen fest, dass in der der Provinz Hubei zwar Wirkstoffe für den deutschen Arzneimittelmarkt produziert werden. Allerdings sei die Produktion in Hubei für die Versorgung der Patienten hierzulande entweder nicht marktrelevant, da die Substanzen auch in anderen Standorten produziert werden, oder es stünden noch größere Mengen zu Verfügung.
Das Fazit: „Der Jour Fixe sieht daher aktuell keine Hinweise auf eine kurzfristige Einschränkung der Arzneimittelversorgung und keinen konkreten Handlungsbedarf aufgrund von Produktionsausfällen in der betroffenen Provinz Hubei in China.“
Welche Wirkstoffe werden in der Provinz Hubei produziert?
In der Stadt Wuhan – dem Ursprung des neuartigen Coronavirus – werden verschiedene versorgungsrelevante Arzneistoffe produziert, darunter Ibuprofen und Metamizol. Der Engpass bei Ibuprofen ist noch immer nicht überstanden; aktuell fehlen verschiedene Stärken in diversen Packungsgrößen. Weltweit gibt es ohnehin nur sechs Produzenten des nicht-steroidalen Antirheumatikums, deren Marktanteile annähernd gleich verteilt sind. Mit Hubei Biocause Heilen Pharmaceuticals fällt ein Player aus. Für Metamizol halten fünf Hersteller ein sogenanntes CEP-Zertifikat, das für den Vertrieb in Europa notwendig ist – vier in China, unter anderem in Hubei. Nur Sanofi hält ein CEP in Frankreich.
Für Granisetron und Clozapin halten je zwei Hersteller in der chinesischen Provinz ein CEP. Außerdem kommen die als versorgungsrelevant eingestuften Arzneistoffe Docetaxel, Flumazenil, Oxcarbazepin, Metronidazol, Ezetimib und Ticagrelor aus der Region. Weitere in Hubei produzierte aktive Substanzen, die nicht als versorgungsrelevant eingestuft werden, sind Amisulprid, Vinarelbin, Oxaciplatin, Cyproteron, Progesteron, Finasterid, Torasemid und Acetylcystein.
Versorgungsmangel für Coronavirus-Therapie
Eine gezielte Behandlungsoption gegen SARS-CoV-2 gibt es derzeit noch nicht. Daher hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am 27. Februar nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes (AMG) den Versorgungsmangel mit zugelassenen Arzneimitteln zur Behandlung einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus bekannt gegeben. Dies ermöglicht es den zuständigen Behörden der Länder, im Einzelfall ein befristetes Abweichen von den Vorgaben des AMG zu gestatten.
Lokale Versorgungsengpässe
„In jüngster Vergangenheit haben sich die Anzeichen verdichtet, dass es zu einer Ungleichverteilung von Arzneimitteln kommt“, teilt das BfArM weiter mit. Allerdings gebe es in mehreren Fällen belastbare Hinweise, die auf eine kontinuierliche Marktversorgung im Umfang des benötigten Bedarfs hinweisen. Die lokalen Engpässe lassen laut BfArM deshalb darauf schließen, dass es anderenorts eine Bevorratung über den normalen Umfang hinaus gibt.
Zudem wurde über Möglichkeiten, einer übermäßigen Bevorratung entgegenzuwirken, diskutiert. Genau ging es um die Möglichkeit der Kontingentierung.
Wirkstoffe der Substitutionsausschlussliste werden versorgungsrelevant
Alle Wirkstoffe der Substitutionsausschlussliste werden in die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe aufgenommen, wenn sie dort nicht schon zu finden sind. Somit unterliegen die Substanzen der Meldepflicht im Falle eines Lieferengpasses.
Beendete und als relevant eingestufte Liefer- und Versorgungsengpässe
Unabhängig vom Coronavirus wurden auch einzelne Liefer- und Versorgungsengpässe diskutiert. So gelten die gemeldeten Lieferengpässe von Rifampicin, Procarbazin, Benzylpenicillin-Natrium, Cytarabin und Levothyroxin-Natrium als beendet.
Als relevant wurden die Engpässe von Idarubicin (voraussichtlich bis April), Sulfasalazin, Trimethoprim/Sulfamethoxazol (einzelne Stärken frühestens im Mai wieder verfügbar) und Bleomycin eingestuft.
Relevante Lieferengpässe gibt es auch bei Arzneimitteln, die als versorgungsrelevant eingestuft sind. Dazu gehören Epirubicin, Xipamid und Venlafaxin. Zu Letzterem gibt das BfArM folgende Einschätzung ab: „Die Überprüfung zeigt eine grundsätzlich ausreichende Menge an Arzneimitteln, die in Verkehr gebracht wird. Die Kontinuität der Verfügbarkeit der einzelnen Arzneimittel ist nur bedingt gegeben, daher sind Verzögerungen in der Lieferung oder das Erfordernis der Kompensation durch Alternativen weithin nicht auszuschließen.“