Die Rechtsstreitigkeiten um die Cannabis-Ausschreibungen sind beendet: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die verbliebenen vier Lose vergeben, nachdem ein unterlegener Bieter seinen Nachprüfantrag zurückgezogen hat. Die Lose gingen an das Berliner Start-up Demecan und die Deutschlandtochter des kanadischen Cannabisherstellers Aphria.
„Dieser Schritt ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Versorgungssituation. Durch den erfolgreichen Abschluss des Vergabeverfahrens kann der Anbau von Cannabis in pharmazeutischer Qualität in Deutschland nun in vollem Umfang zügig umgesetzt werden“, so BfArM-Präsident Professor Dr. Karl Broich. „Endlich“, hätte man hinzufügen können: Denn die Ausschreibung war bereits vor über zwei Jahren veröffentlicht worden, eigentlich hätte schon dieses Jahr die erste Ernte eingefahren werden sollen. Doch Ende März 2018 hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf das Vergabeverfahren gestoppt und dem BfArM untersagt, einen Zuschlag zu erteilen. Der Grund: Das BfArM habe die Frist im Vergabeverfahren zu kurz bemessen.
Vier Monate später folgte dann die Neuauflage mit erhöhter Menge: Statt wie zuvor 6,6 umfasste die Ausschreibung diesmal 10,4 Tonnen medizinisches Cannabis, verteilt auf vier Jahre mit jeweils 2,6 Tonnen. Jedes der 13 Lose umfasst also eine Jahresmenge von 200 Kilogramm. Doch auch bei der Bekanntgabe des Zuschlags Mitte April musste das BfArM einen Wermutstropfen schlucken: Wegen der Beschwerde eines unterlegenen Bieters konnten nur 9 der 13 Lose vergeben werden. „Gleichwohl bedauern wir, dass nun abermals wirtschaftliche Interessen eines Bieters dazu führen, dass wir nicht schon früher im vollen Umfang zur Verbesserung der Versorgungssituation beitragen können“, klagte Broich.
Die zwei großen Gewinner sind Aurora und Aphria. Die beiden Tochtergesellschaften kanadischer Cannabisunternehmen erhalten je fünf Lose, mehr konnte ein Unternehmen laut der Ausschreibungsvorgaben nicht erhalten. Drei weitere Lose sind an Demecan gegangen. Entsprechend den völkerrechtlichen Vorgaben des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 wird die für Ende 2020 erwartete erste Ernte dann nicht vom BfArM selbst, sondern von dessen 2017 gegründeter Cannabis-Agentur in Besitz genommen. Die wiederum verkauft es dann an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler und Apotheken.
Für die Aurora-Produktion wird nun eine Anlage im Industriegebiet Leuna in Sachsen-Anhalt gebaut, Aphria wiederum errichtet im schleswig-holsteinischen Neumünster eine über 6000 Quadratmeter große Indoor-Produktionsanlage. Hinter 24 Zentimeter dickem Stahlbeton wächst dort die Cannabiszucht bei konstant 23 Grad Celsius und maximal 55 Prozent Luftfeuchtigkeit – aber ohne dabei ein einziges mal die Sonne zu sehen. Nur zehn bis elf Wochen soll die Aufzucht einer Pflanze dadurch dauern.
Wegen möglicher genetischer Veränderungen der Pflanzen und strenger Vorgaben des Bundesamts muss Aphria künftig jede Charge überprüfen. Der Gehalt der Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) darf nämlich nur um bis zu zehn Prozent schwanken. Ebenfalls Teil der BfArM-Auflagen sind höchste Sicherheitsstandards. Um und auch unter der Anlage registrieren Detektoren und Sensoren, wenn sich Unbefugte nähern. Im komplett kameraüberwachten Innenraum zählt das Vier-Augen-Prinzip: Keiner der Mitarbeiter darf sich allein in einem der Räume aufhalten.
Ebenfalls hohen Sicherheitsvorkehrungen unterliegt der Aphria-Stan dort im nahen Bad Bramstedt im kreis Segeberg: Dort entsteht ein Tresor, in dem importiertes Cannabis aus Kanada gelagert werden soll. Das wird auch weiterhin nötig sein, denn Experten sind sich einig, dass die ausgeschriebene Cannabis-Menge nicht ausreicht, um den deutschen Markt abzudecken. Der Import wird also so bald nicht aufhören.
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