Strafsteuer für sperrige Apotheker Alexander Müller, 11.12.2015 12:29 Uhr
Bei einer Betriebsprüfung müssen Apotheker gegenüber dem Finanzamt komplett blank ziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte vor fast genau einem Jahr entschieden, dass der Fiskus Anspruch auf alle Einzeldaten aus der Warenwirtschaft hat. Jetzt haben die Münchner Richter in einem der damals verhandelten Fälle abschließend entschieden, dass das Finanzgericht (FG) den Apotheker schätzen muss, der die Herausgabe verweigert hatte. Ihm drohen hohe Steuernachzahlungen.
Bei einer Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 forderte der Prüfer mehrfach die Herausgabe der Datei „BP_Kassenumsatz“, also die Kassenauftragszeile mit allen Einzeldaten zu den Verkäufen. Den Einspruch des Apothekers verwarf das Finanzamt Borken als unzulässig und nahm eine Hinzuschätzung vor: Jeweils 3 Prozent der Barumsätze wurden aufgeschlagen, die Einkommensteuerbescheide für die drei Jahre entsprechend geändert.
Mit seiner Klage vor dem Finanzgericht Münster (FG) hatte der Apotheker zunächst Erfolg. Aus Sicht der Richter musste er keine Daten herausgeben, nur weil er sie für andere Zwecke erhebe und speichere. Das Finanzamt hätte zudem nicht einfach aufgrund der Weigerung pauschale Zuschätzungen vornehmen dürfen, so das FG.
Die Sache ging vor den BFH und wurde zusammen mit zwei weiteren Fällen im Dezember 2014 verhandelt. Die Münchner Richter bestätigten den Anspruch des Fiskus auf die Daten, konnten dies im Verfahren aus Münster aber nur in einem sogenannten Zwischenurteil festhalten. Weil das FG das Finanzamt schon wegen der Datenforderung an sich in die Schranken gewiesen hatte, stand zur Höhe der Hinzuschätzung nichts in dem erstinstanzlichen Urteil.
Im Zwischenurteil erklärte der BFH, dass das Finanzamt Anspruch auf die umstrittene Datei hatte. Damit sollte den Parteien laut Aussage des Gerichts die Möglichkeit gegeben werden, zu einer Einigung zu kommen. Doch im August erklärte das Finanzamt, dass eine Einigung aussichtslos sei.
Der Fisksus bestand darauf, dass die Schätzung rechtmäßig gewesen sei. Das Bundesfinanzministerium (BMF) war dem Verfahren beigetreten und unterstützte das Finanzamt. Der Anwalt der Anwalt des Apothekers, Dr. Bernhard Bellinger, sieht das aber komplett anders: Das Finanzamt habe unter den Umständen der Prüfung nicht einfach schätzen dürfen. Bevor die Frage des Datenzugriffs nicht geklärt gewesen sei, habe der Fiskus die Weigerung der Herausgabe nicht bestrafen dürfen.
Aus Sicht des BFH haben sich die Vorzeichen des Verfahrens geändert: Das FG sei damals zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Apotheker die Daten nicht liefern müsse. Die Streitfrage sei mit dem Zwischenurteil geklärt, der Apotheker zur Herausgabe verpflichtet gewesen.
Damit sei damals auch das Finanzamt zu der Hinzuschätzung berechtigt gewesen. Es wäre laut BFH zwar „wünschenswert“ gewesen, der Fiskus hätte mit seinen Bescheiden auf die Klärung gewartet. Trotzdem sei der Anspruch damit nicht entfallen. Wenn eine Steuerpflichtiger Unterlagen nicht vorlegen kann, darf das Finanzamt laut BFH-Rechtsprechung immer schätzen. Nichts anderes könne gelten, wenn der Steuerpflichtige die Daten nicht liefern wolle.
Der BFH hat das Verfahren mit Urteil vom 28. Oktober zum FG zurückverwiesen. Im zweiten Anlauf müssen die Münsteraner Richter nun eine konkrete Hinzuschätzung vornehmen. Dabei kann sich das Gericht die Vorgabe des Finanzamtes übernehmen und pro Jahr 3 Prozent des Umsatzes hinzuschätzen. Die Richter können aber auch eine eigene Schätzung vornehmen.
Das Finanzamt hatte beantragt, dass der BFH den Fall zu einem anderen Senat des FG schickt. Denn nach der Klatsche in der ersten Instanz befürchtete der Fiskus offenbar, in Münster unfair behandelt zu werden. Doch davon wollten der BFH nichts wissen. Es bestünden keine Zweifel an einer willkürfreien Beurteilung der Sache.