Betriebsprüfung

Bellinger will BFH-Urteile ignorieren

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Berlin -

Die Apotheker haben vor dem Bundesfinanzhof (BFH) verloren. Die Münchener Richter entschieden, dass Apotheker mit PC-Kasse bei einer Betriebsprüfung jeden einzelnen Geschäftsvorfall belegen müssen. Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger hatte die Apotheker vertreten. Er kritisiert die Entscheidung – will sich aber noch nicht geschlagen geben.

In den drei Verfahren hatte das Finanzamt jeweils die Herausgabe der Kassenauftragszeile gefordert. Bellinger hatte dies mit Verweis auf die fehlende Aufzeichnungspflicht abgelehnt. Zwei Finanzgerichte in Hessen und Nordrhein-Westfalen gaben Bellinger recht, in Sachsen-Anhalt gewann der Fiskus. In den Revisionsverfahren hat der BFH nun das Datenzugriffsrecht der Finanzbehörden bestätigt.

Der BFH hat mit Hinweis aus verschiedenen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) geschlossen, dass Apotheker zur Aufzeichnung der Daten und zu deren Herausgabe verpflichtet seien. Diese Regelungen seien auf das Steuerrecht zu übertragen.

Bellinger überzeugt das nicht, er sieht die Abgabenordnung (AO) als speziellere Norm als stichhaltiger. Aus seiner Sicht können Apotheker aus § 144 AO für sich reklamieren, dass sie Kasseneinzeldaten eben nicht aufzeichnen müssen und damit auch kein Datenzugriff besteht. Der BFH habe in dieser zentralen Frage anders entschieden und dazu den Kommentar eines Richters aus dem III. Senat beim BFH zitiert – „und zwar unübersehbar falsch“, so Bellinger.

In dem zitierten Kommentar habe BFH-Richter Roger Görke exakt das Gegenteil geschrieben, nämlich dass Einzelhändler keine Einzelaufzeichnungen vorzunehmen hätten, moniert Bellinger. Der Steuerberater will daher einen weiteren Fall nach München bringen. Beim Finanzgericht Münster hat er in einem zwischenzeitlich ausgesetzten Verfahren die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung beantragt. Die Revision würde beim BFH wegen der Zuständigkeit zwangsläufig in Görkes Senat landen. „Dann sehen wir weiter“, so Bellinger.

Die beiden vom BFH rechtskräftig entschiedenen Fälle will der Steuerberater „auf keinen von meiner Kanzlei betreuten Fall übertragen, sondern diese Entscheidungen schlichtweg ignorieren“. Insgesamt habe er den Eindruck, dass der X. Senat die Apotheker auf breiter Front verlieren sehen wollte. „Anders kann ich mir das Revisionsurteil im Münsteraner Fall nämlich beim besten Willen nicht erklären.“

In dem Revisionsverfahren zum Urteil des Finanzgerichts Münster hat der BFH in einem Zwischenurteil entschieden, dass der Datenanforderungsbescheid des Fiskus rechtmäßig gewesen war. Über die vom Finanzamt geforderte Nachzahlung von rund 40.000 Euro wurde dagegen nicht entschieden.

„Das Zwischenurteil ist ein 'Muster ohne Wert'“, schimpft Bellinger. Die Betriebsprüfung sei nach übereinstimmender Feststellung aller Beteiligten abgeschlossen und die Anforderung des Fiskus damit aus der Welt. „Das Zwischenurteil verpflichtet den Apotheker schlichtweg zu nichts.“

Ein Zwischenurteil sei überdies unzulässig, weil die Sache entscheidungsreif gewesen sei – und zwar gegen den Fiskus, so Bellinger. Das hätten die BFH-Richter in der mündlichen Verhandlung im Dezember nach ihren Äußerungen wohl ebenso gesehen haben müssen. „In diesem Verfahren werde ich daher jetzt die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung beantragen und damit das in meinen Augen überfällige Endurteil gegen den Fiskus auslösen“, kündigt der Steuerberater an.

Bellinger sieht an den BFH-Entscheidungen weitere „handwerkliche Fehler“: So sei zwischen den Prozessparteien in der Revision auch darüber gestritten worden, ob apothekenrechtliche Vorschriften oder das Umsatzsteuergesetzes eine Einzelaufzeichnungspflicht begründen könnten. „Diese Diskussion findet sich in allen drei Urteilen weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen“, so Bellinger.

Der Fachanwalt für Steuerrecht wird auch an anderer Stelle aktiv. Bellinger trainiert für die DATEV ab Mitte Mai Steuerberater zur digitalen Betriebsprüfung. Bei der Seminarreihe will er sich auch ausführlich zu den BFH-Urteilen positionieren.

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