Rüddel und Heidenblut hinter Apothekerschaft

Besuch vor Ort: Mehr Geld ins System statt Kioske

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Berlin -

Die Gesundheitsexperten Erwin Rüddel (CDU) und Dirk Heidenblut (SPD) informierten sich kürzlich vor Ort über die Auswirkungen, die die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für die Apothekerschaft bedeuten würden. Worin sich beide einig waren: So wie bisher geht es nicht weiter – und die geplanten Reformen werden nicht das adäquate Mittel sein.

Thomas Christmann, Vizepräsidenten der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, empfing Rüddel gemeinsam mit seinem Kollegen Albert Rehm aus Altenkirchen in seiner Raiffeisen-Apotheke in Hamm an der Sieg. Die beiden Pharmazeuten hatten um eine dringende Zusammenkunft mit dem Gesundheitspolitiker gebeten, um mit ihm über Lauterbachs Eckpunkte für die Apothekenreform zu sprechen.

Trotz mehrmaliger Gesprächsversuche habe sich der Minister bislang immer weggeduckt, so Christmann und Rehm: „Statt mit uns auf Augenhöhe zu reden, verkündete Lauterbach seine unausgegorenen Pläne zur Einführung von Scheinapotheken. Diese Einrichtungen sollen ohne Approbierte, ohne Labor/Rezeptur und ohne Nacht- und Notdienst auskommen. Das ist eine Schwächung der Versorgungs- und Beratungsangebote.“

Gesundheitskioske sind keine Lösung

Lauterbach müsse auf Druck der Grünen in der Regierungs 1000 Gesundheitskioske einrichten, die eine niederschwellige Versorgung und Gesundheitsberatung in Großstädten bieten sollen, heißt es aus Rüddels Büro. „Unabhängig davon, dass für unser bestehendes Gesundheitssystem bereits zahlreiche Stellen nicht besetzt werden können, wird durch die Gesundheitskioske ein zusätzlicher Personaldruck ins System kommen“, so Rüddel.

Ländliche Regionen hätten bei diesen Plänen das Nachsehen, so der Tenor, zumal dadurch zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Euro Zusatzausgaben für das Gesundheitssystem drohten. „Dabei sind unsere Apotheken von der Gesundheitskompetenz her prädestiniert, diese Aufgaben niederschwellig in der Fläche anzubieten“, sagte Rüddel beim Termin.

Statt des Aufbaus neuer Strukturen und absehbaren Kahlschnitt in der bestehenden Versorgungslandschaft sollten die Apotheken vor Ort besser gestärkt werden, indem diese Mittel hier zur Verfügung stehen. „Damit wäre eine Entlastung der Ärzteschaft gegeben, bei gleichzeitigem schnellen und kompetenten Zugang bei leichteren Erkrankungen oder Informationsbedarf der Patienten.“ So könne das Apothekensterben gestoppt werden und Apotheken gleichzeitig so gestärkt werden, dass sie sich zu „kleinen Versorgungszentren“ entwickeln. „Die Kompetenzen in den Apotheken sind da und man bräuchte keine weitere, sehr teure Versorgungsebene, für die eh kein Personal zur Verfügung steht, auf Kosten der ländlichen Regionen zu errichten“, kommentierte Rüddel.

Christmann und Rehm wiesen bei dem Termin mit Rüddel zudem darauf hin, dass die Eckpunkte bis auf eine vage Zusage bei der Notdienstpauschale keine Soforthilfen in Aussicht stellen. „Diese sind aber zwingend notwendig, denn auch die Apotheken leiden unter der Inflation und gestiegenen Kosten. Herr Lauterbach hat Inflations- und Kostenausgleiche in fast allen anderen Bereichen des Gesundheitswesens vorgenommen. Nur die Apotheken sollen kein Recht darauf haben?“, fragen die Inhaber. „Alle vom BMG vorgeschlagenen Honorar-Maßnahmen sollen frühestens 2025, teilweise erst 2026 und 2027 greifen. Herr Lauterbach schiebt das Thema der chronischen Unterfinanzierung der Apotheken weiter an seine Nachfolger, nimmt sich somit weiter aus der Verantwortung und sieht dabei zu, wie die wohnortnahe Arzneimittelversorgung weiter ausdünnt“, beklagten die Apotheker unisono.

Vor-Ort-Apotheken haben das Nachsehen

Der Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut hat sich in Bottrop von Apothekerin Karima Ballout über die aktuellen Probleme informiert, vor denen die Apotheken vor Ort stehen.
Dirk Heidenblut traf sich mit Apothekerin Karima Ballout.Foto: AVWL

Ähnliche Pläne, wie Rüddel sie für die Apotheken hätte, hatte ursprünglich auch Apothekerin Apothekerin und Vorstandsmitglied des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), Karima Ballout. Ballout hat im Januar 2022 in Bottrop die Post- und die Westfalia-Apotheke übernommen. Diesen Schritt habe sie gewagt, „weil ich weiterkommen und meine Ideen umsetzen wollte“, sagt Ballout. Dabei hat sie gleich schon zu Beginn vieles anders gemacht: Kommissionierer, Vier-Tage-Woche, Yoga-Einheiten und viel Eigenverantwortung für ihre Angestellten, weniger Offizin, dafür mehr Platz für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL).

Mit ihr traf sich Lauterbachs Parteikollege und Gesundheitsexperte Dirk Heidenblut, der sich skeptisch über die Reformpläne äußerte. Über das Engagement der alleinerziehenden Dreifach-Mutter zeigte sich Heidenblut beeindruckt, berichtet der AVWL. „Ich habe den Traum von einem Präventionszentrum hier in Bottrop“, erklärte Ballout dem SPD-Apothekenexperten. Dabei gehe es ihr auch um die Integration der Menschen in der Gegend mit Migrationshintergrund und der Apotheke als niedrigschwellige Anlaufstelle in Gesundheitsfragen. Diese Pläne sieht Ballout derzeit durch Lauterbachs Pläne gefährdet.

Beispielsweise wäre die Umverteilung des Apothekenhonorars zur vermeintlichen Sicherung der kleinen Apotheken auf dem Land nicht zielführend. Auch normale Durchschnittsapotheke hätten hier das Nachsehen. Für Inhaberin Ballout hieße das voraussichtlich: „Für mich wären das unter dem Strich 10.000 Euro pro Jahr weniger“, rechnet sie vor. Hochpreiser vorzufinanzieren, sei dann schlicht nicht mehr möglich, warnt sie. Apotheken, die das dann noch leisteten, würden schnell defizitär laufen.

„Es muss mehr Geld in das System.“

In Bottrop gibt es derzeit noch 17 Apotheken – „wenn die Zahl nur auf 15 zurückgeht – und das ist noch vorsichtig geschätzt – muss eine Apotheke hier durchschnittlich 7800 Patienten versorgen. Dann werden sich Schlangen bilden.“ Für ihr geplantes Präventionszentrum oder pDL bliebe dann sicher keine Zeit mehr. Apotheken ohne Approbierte sind laut Ballout ebenfalls eine Gefahr: „Seine Pläne werden für die Patienten Leistungskürzungen zur Folge haben.“

Hier kann auch Heidenblut ihr nur Recht geben: „Honorar-Umverteilungen reichen nicht, schon gar nicht, wenn sie zu Kürzungen führen. Es muss mehr Geld in das System“, sagt er. Statt sie zu schwächen, müssten die Apotheken vor Ort gestärkt werden. „Das Honorar muss steigen – und zwar so, dass überall im Land Apotheken auch für ältere Menschen in erreichbarer Nähe bewahrt werden können.“

„Setzt der Gesundheitsminister seine Ideen um, werden noch mehr Apotheken auf der Kippe stehen, insbesondere auch kleine Apotheken auf dem Land“, warnt Ballout. Sollte Lauterbach nicht einlenken, bedeute das weitere Aktionen der Apothekerschaft: „Wenn der Minister an den Plänen festhält, werden wir unsere Proteste verstärkt fortsetzen.“

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