Rx-Versandverbot

Berufsbild Versandapotheker Patrick Hollstein, 18.03.2009 15:22 Uhr

Berlin - 

Seit knapp einem Jahr drohen die 20 im Branchenverband BVDVA zusammengeschlossenen Versandapotheken, im Falle eines Rx-Versandverbots vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Jetzt hat sich der Verband rechtswissenschaftlichen Beistand geholt: In einem 21-seitigen Kurzgutachten legt der Bonner Jurist Professor Dr. Christian Koenig dar, warum aus seiner Sicht ein Versandverbot verfassungsrechtlich bedenklich ist. 

Der Jurist sieht vor allem die Berufsfreiheit der Pharmazeuten in Gefahr. Ein Verbot würde nämlich „die zur Ausübung der Tätigkeit zur Verfügung stehenden Vertriebswege“ limitieren und die „Art und Weise der Ausübung des Berufes 'Apothekenbetreiber'“ beeinflussen.

Laut Koenig sind Versandapotheker unter Umständen mehr als normale Apotheker: Der Betrieb so genannter Homecare-Versandapotheken mit integrierter pharmazeutischer Betreuung könnte als eigenes Berufsbild zu qualifizieren sein. In diesem Fall käme ein Rx-Versandverbot nach Ansicht Koenigs nicht nur einer Einschränkung der freien Berufsausübung, sondern sogar der freien Berufswahl gleich.

Dass es in Deutschland derzeit kaum Versandapotheken gibt, die sich auf den Bereich spezialisiert haben, ist für Koenig unerheblich. Schließlich könnte ein Totalverbot auch denkbare neue Versorgungsformen verhindern. Laut Koenig würde die Branche nicht nur an Preiswettbewerb, sondern auch an Innovationskraft verlieren.

Da eine Versandapotheke nicht auf „die physische Erreichbarkeit durch den Endkunden“ angewiesen ist, kann sie laut Koenig günstiger wirtschaften und die Einsparungen nutzen, um ihre Versorgungsqualität auf den ländlichen Raum auszurichten. Auf die Tatsache, dass anders herum meist Patienten auf die physische Erreichbarkeit der Apotheke angewiesen sind, geht der Jurist nicht weiter ein.

Ohnehin sieht Koenig in Versandapotheken probate Mittel zur Überwindung der „Flächenlücke“ in der Versorgung. Durch die geplante Änderung stehe zu befürchten, „dass eine zuverlässige flächendeckende Arzneimittelversorgung in ländlichen Gegenden erschwert würde, da der Unterhalt einer 'Präsenzapotheke' in dünn besiedelten Regionen wirtschaftlich kaum tragbar ist und deshalb hier besonders auf das Angebot von Versandapotheken zurückgegriffen wird“.

Laut Koenig ist allerdings bereits die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) getroffene Unterscheidung des Versands von Rx- und OTC-Produkten „befremdlich“, da bei verordneten Arzneimitteln eine Erstberatung durch den Arzt stattfinde, bei der Selbstmedikation dagegen nicht. „Der Arzt berät viel offensiver als der Apotheker“, so Koenig. Insofern sei das Beratungsproblem im OTC-Bereich „viel virulenter“ und ein selektives Verbot des Versands ausgerechnet von Rx-Arzneimitteln nicht zu begründen.