Die Beamten im rot-grün regierten Hamburg sollen künftig frei zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung wählen können. Richtig so, findet ein Berliner Beamter. Der schwer an Krebs erkrankte Pensionär fühlt sich von Ärzten, seiner PKV und Apotheken mit seinen hohen Medikamentenrechnungen sitzen gelassen.
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) kündigte Anfang August an, dass die Beamten ihres Bundeslands künftig ohne finanziellen Nachteil für die gesetzliche Krankenkasse entscheiden könnten. Alternativ zur bislang gebräuchlichen Beihilfe für privatärztliche Behandlungskosten werde ihnen die Hansestadt ab Mitte 2018 die Hälfte der Beiträge zur GKV oder die Hälfte des Basistarifs zur PKV zahlen. Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen und das von einer Jamaika-Koalition regierte Schleswig-Holstein haben bereits angekündigt, das Hamburger Modell prüfen zu wollen.
Als „völlig richtig“ begrüßt Bernd Wegner den Hamburger Vorstoß in einem Leserbrief an den Tagesspiegel. Der pensionierte Berliner Beamte ist nach eigener Erzählung seit 45 Jahren in der privaten Krankenversicherung und jetzt schwer an Krebs erkrankt. In jungen Jahren habe er kaum Probleme mit der Bezahlung seiner Rechnung gehabt, jetzt fielen Kosten für die Operation, Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche an.
Horrend seien auch die Ausgaben für Zytostatika. „Bei der Ausstellung der Rezepte achtet kein Arzt darauf, dass ich zu 70 Prozent beihilfeversichert bin“, schreibt Wegner. „Es werden einfach teure, nicht voll erstattungsfähige Medikamente verschrieben, die einen vielfach höheren Preis haben als vergleichbare Generika. Dadurch habe ich jetzt innerhalb einer Woche 223 Euro durch zwei verschiedene Apotheken verloren, die von der Beihilfe nicht erstattet werden.“
Bei Beschwerden fühle sich niemand zuständig: „Die Beihilfe behauptet, dass sie immer nur das billigste Medikament erstattet, niemals andere.“ Die Differenz müsse der Beamte selbst tragen. „Die Krankenkasse erstattet nichts aus Kulanz, da sie ihren Anteil zu 100 Prozent bezahlt.“ Die Ärzte meinten, die Apotheken müssten den Kunden auf vergleichbare preiswerte Medikamente hinweisen. Die Apotheker wiederum sagten, sie könnten nur das herausgeben, was auf dem Rezept stehe.
„Die Beamten können sich nirgends beschweren und bekommen nirgends Unterstützung, nicht einmal von der Gewerkschaft“, klagt Wegner. Die Behauptung des Hamburger Beamtenbunds, dass „vonseiten der Beamten keinerlei Bedürfnis nach einer Wahlfreiheit“ zwischen gesetzlicher und privater Krankenkasse bestehe, sei jedenfalls „völlig falsch“.
Derweil freuen sich die 113 gesetzlichen Krankenkassen über so viele Versicherte wie nie. Das sei vor allem auf die gute Konjunktur und die Zuwanderung zurückzuführen, sagen Kassenexperten. Zum 1. Juli 2017 wurden 72,26 Millionen Versicherte gezählt. Allein im ersten Halbjahr 2017 wuchs die Zahl um 562.000 Personen. Davon profitierten vor allem die Techniker Krankenkassen mit 140.000 zusätzlich Versicherten. Sie liegen mit jetzt 9,937 Millionen Kunden auf Platz 1 aller Kassen, gefolgt von der Barmer mit 9,352 Millionen (minus 77.000 seit Januar) und der DAK mit 5,827 Millionen (minus rund 20.000).
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