Berlin hat eine Kammerpräsidentin – in spe Patrick Hollstein, 07.05.2019 23:45 Uhr
In der Berliner Apothekerkammer ist sie seit Jahren aktiv, beim Deutschen Apothekertag (DAT) sorgt sie regelmäßig mit Anträgen aus der Praxis für Diskussionen. Jetzt ist Dr. Kerstin Kemmritz zur Kammerpräsidentin gewählt worden. Vorerst regiert aber der alte Vorstand weiter.
Kemmritz wurde am Abend zur Präsidentin gewählt, kann aber ihr Amt noch nicht antreten, da der restliche Vorstand nicht gewählt wurde. Annette Dunin von Przychowski und Joachim Stolle erzielten als Kandidaten für das Stellvertreteramt in zwei Durchgängen jeweils 22 Stimmen, daher wurde die weitere Wahl vertagt. Wahrscheinlich geht es am 21. Mai weiter, bis dahin regiert der alte Vorstand weiter.
Die künftige Kammerpräsidentin betreibt die Falken-Apotheke Weißensee, insgesamt gehören zum Familienverbund Dr. Bäder & Dr. Kemmritz drei Apotheken. Nach dem Studium an der FU Berlin 1988 approbiert, ist Kemmritz seit 2000 als Pharmazierätin aktiv. Außerdem ist sie als Autorin bekannt sowie als Kollegin, die mit viel Fachverstand und Praxisnähe in der Standespolitik auch kontroverse Themen aufgreift. So machte sie sich für eine Nutzenbewertung von OTC-Medikamenten stark, sprach sich aber auch gegen Rezepturtests aus. In den Publikumsmedien hält sie immer wieder die Fahne der Apotheker hoch, indem sie eine differenzierte Betrachtung der Lebenswirklichkeiten einfordert.
Ihre Liste „Allianz aller Apotheker“ (AAA) war 1999 aus der Gemeinschaftsliste des damaligen Kammerpräsidenten Klaus Stürzbecher hervorgegangen und später auch im Vorstand vertreten. Nachdem Stürzbecher eine Trennung von Kammer und Apothekerverein vorangetrieben hatte, teilten sich die Mitglieder seiner Liste auf – in die Offizin-Liste, in der vor allem Mitglieder des Berliner Apothekervereins organisiert sind, und die AAA.
Kemmritz hat mehrere Wochen Konsultationen mit Vertretern anderer Listen hinter sich. Ergebnis: Ihre Liste hat eine Koalition mit den Listen „Apotheker/-innen aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung“ (WIV-Apotheker) von Dr. Björn Wagner und „Hauptstadtapotheker“ von Dunin von Przychowski aufgestellt. Am Montag verkündeten die drei Gruppen in einer gemeinsamen Mitteilung, dass sie Amtsinhaber Dr. Christian Belgardt ablösen wollten. „Wir sind übereingekommen, den Delegierten der Apothekerkammer Berlin ein Angebot für die Besetzung des neuen Kammervorstandes zu unterbreiten, das auch den Wählerauftrag nach einer breit gefächerten und modernen Vertretung sowie die Mehrheit der Sitze der Delegiertenversammlung abbildet“, erklärten sie.
Das ist nun geschafft, allerdings ist die Mehrheit knapp: Von den 45 gewählten Vertretern der Delegiertenversammlung entfallen elf auf die AAA, neun auf die WIV- und drei auf die Hauptstadtapotheker. Belgardts Liste „Offizin-Apotheke“ hatte bei der Wahl im März die absolute Mehrheit verfehlt und kommt auf 18 Sitze. Zusammen mit den Delegierten der Liste „Aktive Apotheker*innen“ von Maximilian Buch käme er auf 22 Sitze – einer weniger als die Kemmritz-Koalition. Insgesamt hat die Delegiertenversammlung allerdings 46 Mitglieder, da ein Vertreter nicht gewählt, sondern von der Freien Universität Berlin ernannt wird.
Kemmritz, Dunin und Wagner haben einen Aufbruch versprochen, ein Ende der als „Dunkelkammer“ kritisierten Amtsführung von Belgardt: mehr Transparenz, eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Kammerarbeit und eine stärkere Beteiligung von Kollegen aus allen Berufsfeldern.
Mit der Wahl Ende März haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der Delegiertenversammlung verändert: Aus drei wurden fünf Fraktionen, Belgardts Liste fiel von 46 auf 40 Prozent der Wählerstimmen. Prozentual noch mehr verloren hatte nur Kemmritz‘ Liste: Ihr Ergebnis fiel von 30,3 auf 23,2 Prozent. Koalitionspartnerin Dunin war zum ersten mal mit einer eigenen Liste angetreten und holte aus dem Stand 7,2 Prozent. Großer Gewinner waren die WIV-Apotheker. Von 11,6 Prozent im Jahr 2015 konnte sich Wagners Liste auf 19,2 Prozent verbessern. 2015 hätten seiner Liste fünf Sitze zugestanden, er war aber allein angetreten. Der Fall war in der Wahlsatzung nicht geregelt, die Beteiligten füllten die Lücke, indem sie sich im Nachhinein darauf einigten, die vier übrigen Sitze nach dem d‘Hondt-Verfahren zu verteilen. Zwei der Sitze gingen dadurch an Belgardts Liste.