Compliance ist nicht nur für den Therapieerfolg wichtig, sondern hat auch wirtschaftliche Konsequenzen. Mangelnde Therapietreue belastet das Gesundheitssystem mit fast sechs Milliarden Euro pro Jahr; schätzungsweise landen Arzneimittel im Wert von vier Milliarden Euro jährlich im Müll. Doch wie lassen sich diese Kosten verringern? Die verhaltensökonomische Studie „Verbesserung der Therapietreue in Apotheken“ konnte zeigen, dass gezielte Kommunikation des Apothekers die Compliance des Patienten steigern kann.
„Verhaltensökonomische Maßnahmen haben einen positiven Effekt auf die Compliance bei der Selbtmedikation“, fasst Professor Dr. David Matusiewicz das Studienergebnis zusammen. Der Studienleiter ist Direktor des Forschungsinstituts für Gesundheit und Soziales (IFGS). Matusiewicz sieht im Resultat eine Chance der Therapieoptimierung durch den Apotheker. Möglicherweise könne man das auch auf rezeptpflichtige Arzneimittel übertragen.
Die Interventionsstudie hat das Verhalten 139 Patienten bezüglich des Therapietreue bei OTC-Arzneimitteln untersucht. Bundesweit haben sieben Apotheken mit jeweils durchschnittlich 20 Patienten teilgenommen, die randomisiert wurden. Das Durchschnittsalter der Kunden lag bei 52,2 Jahren. Eine Einschränkung der Präparate gab es nicht; Wirkstoffe und Produkte waren gleichgültig. Studienrelevant waren ausschließlich Medikamente, die täglich und mindestens eine Woche lang eingenommen werden müssen. Die Probandenzahl sei zwar nicht repräsentativ, aber die Ergebnisse statistisch signifikant, so Matusiewicz.
Innerhalb einer Interventionsgruppe wurden jeweils drei zusätzliche Maßnahmen durchgeführt. Die Patienten erhielten ein Merkblatt, sollten ihre Medikation aufschreiben und wurden von dem Apotheker motiviert. Die Kontrollgruppe hat lediglich eine klassische Beratung nach den Mindeststandards bekommen. Mit Hilfe von statistischen Methoden wurde das Ergebnis nach telefonischer Befragung der Patienten ausgewertet.
Mehr als 84 Prozent benutzen laut Umfrage keine Hilfsmittel, die an die Medikamenteneinnahme erinnern. Nur etwa 3 Prozent bekommen demnach Hilfe von Dritten. Als Hauptgrund für die Regelmäßigkeit der Einnahme wurde die Beratung durch den Apotheker an erster Stelle genannt mit 58,3 Prozent. Doch die zusätzlichen Interventionen hatten ebenfalls einen Effekt: Die Motivation durch den Apotheker war für 18 Prozent der Grund, die Medikamente regelmäßig einzunehmen. Das eigene Aufschreiben der Einnahme für 15,8 Prozent. An letzter Stelle kam das Merkblatt mit 6,5 Prozent.
„Apotheker sind Vertraute des Patienten“, sagt Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) und Schirmherr der Studie. Ihm zufolge können Apotheker die Kosten im Gesundheitssystem signifikant durch die Verbesserung der Compliance senken. „Dieses Potenzial kann sich nur entwickeln, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, erklärt er. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten Krankenkassen und Politik die Kompetenzen der Apotheker sehen und demnach auch die Kosten bestimmter Dienstleistungen in der Apotheke wie Ernährungs-, Impf- und Schwangerenberatung übernehmen. „Wir Apotheker können mehr als wir dürfen“, so Becker.
Laut Dr. Traugott Ullrich, Geschäftsführer des Studiensponsors Dr. Willmar Schwabe seien die Patienten dank des technischen Fortschritt autonomer geworden und hätten sich zu „Selbstoptimierern“ entwickelt, die besser aufgeklärt seien und sich mehr um ihre Gesundheit kümmerten. Ullrich sieht im Apotheker einen „kompetenten Lotsen“, der den Patienten bei der Bewertung seiner „ungefilterten“ Informationen aus dem Internet unterstützt. „Die Apotheke vor Ort sollte sich auf die Kundenbindung konzentrieren. Das kann eine Internetapotheke nicht“, argumentiert Ullrich.
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