Folgt man der Argumentation der obersten Verwaltungsrichter, wirkt pharmazeutische Beratung wie ein Bonbon. Eine Art zusätzliche Dienstleistung, die Apotheker auf Zuruf erbringen. Wenn jemand im Drogeriemarkt also nicht zum Hörer des Servicetelefons greifen will, um sich seine Arzneimittel erklären zu lassen, dann wird er schon wissen warum. Wird hier die Mündigkeit der Patienten überschätzt? Denn die Frage, ob eine Beratung notwendig ist, ist schon Teil der Beratung.
Doch die Richter haben aus dem Gesetz den Willen des Gesetzgebers fein herausgeschält: Die Inanspruchnahme von Beratung ist eine freie Entscheidung des Patienten. Unzweifelhaft ist es Aufgabe der Gerichte bei der Urteilsfindung den Wortlaut eines Gesetzes auszulegen, seinen Sinn und Zweck zu ergründen und die Entstehungsgeschichte und Systematik zu berücksichtigen. Die Logik des Urteils ist durchaus nachvollziehbar. Die Frage ist nur, ob juristische Logik beim Umgang von Menschen mit Arzneimitteln in jedem Fall der richtige Ansatz ist.
Die Bedenken eines im Verfahren anwesenden Vertreters der Bundesregierung lassen daran Zweifel aufkommen. Er sieht die Arzneimittelsicherheit in Gefahr und befürchtet einen unangemessenen Anstieg des Arzneimittelkonsums. Deutlicher geht es nicht.
Warum gibt es trotzdem Abholstationen in Drogeriemärkten? Weil es Geld sparen könnte. Einer der Hauptgründe für die Freigabe des Versandhandels sei die Erschließung von Einsparpotentialen gewesen, erkennen die Richter. Und wenn der Kunde jetzt das Medikament sogar bei dm abholt, statt es sich schicken zu lassen, wird es noch billiger. Kurzfristig noch billiger wäre es übrigens, wenn sich Patienten alle Medikamente ganz ohne Beratung direkt aus den Regalen nehmen könnten. Aber eben nur kurzfristig.
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