„Benzo-Papst“ Pallenbach arbeitet für Retax-Firma Lothar Klein, 15.12.2017 09:00 Uhr
Er war der „Benzodiazepin-Papst“ der ABDA, Mitglied im Vorstand der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK). Und noch immer ist er Mitglied der Vertreterversammlung und Beauftragter für Suchtprävention. Seine „Brötchen“ verdient Dr. Ernst Pallenbach aber bei einem „Lieblingsgegner“ der Apotheker: dem für Retaxationen zuständigen Abrechnungszentrum Emmendingen. Das hat „Geschmäckle“, wie man in Baden-Württemberg sagt.
„Ich bin seit etwa einem Dreivierteljahr beim Abrechnungszentrum Emmendingen, einem Eigenbetrieb des BKK Landesverbandes Süd, tätig. Meine Aufgaben liegen schwerpunktmäßig in der pharmazeutischen Beratung. So bearbeite ich in meinem Team weiterhin verstärkt Anfragen zu meinen Schwerpunktthema Sucht und Arzneimittelmissbrauch“, teilt Pallenbach auf Nachfrage mit.
Ob er in seinem Bereich mit Retaxationen in Berührung kommt, ist daher offen. Auch gilt das Abrechnungszentrum nicht als „scharfer Hund“: Der Dienstleister vor allem für Betriebskrankenkassen gilt in der Branche in Retax-Fragen eher als kulant und verhandlungsbereit. Trotzdem gibt es Stimmen in der Apothekerschaft in Baden-Württemberg, die die Beschäftigung eines führenden Mitglieds der Standesvertretung bei einer Retaxfirma kritisch sehen.
„Unsere Kunden stehen im Mittelpunkt unseres Handelns! Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Bedürfnisse unserer Kunden und die Anforderungen des Marktes zu erkennen und sie gemeinsam mit unseren Kunden und für unsere Kunden umzusetzen“, preist sich das Abrechnungszentrum auf seiner Internetseite. Rund zehn BKKen gehören zum festen Kundenstamm, dazu die KKH. Das Abrechnungszentrum Emmendingen sei ein „Komplettanbieter im Bereich Krankenkassenabrechnung und Experte für das gesamte Abrechnungs- und Datenmanagement“.
Nach eigenen Angaben beschäftigen das Unternehmen mehr als 550 Mitarbeiter, darunter mehrere Apotheker. Wie viele genau, will die Firma nicht verraten. Auch nicht, welche Aufgaben Pallenbach erledigen soll: „Wir geben Außenstehenden grundsätzlich keine Auskünfte über unsere internen Prozesse. Aus diesem Grund bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir Ihre Fragen nicht beantworten können“, verweigerte Stefan Weis, Fachbereichsleiter Apotheken, jede Antwort auf entsprechende Fragen.
Jährlich bearbeiten die Mitarbeiter in Emmendingen mehr als 57 Millionen Verordnungen von mehr als 17 Millionen Mitgliedern. „Für rund 30 Prozent aller gesetzlich Krankenversicherten wickeln wir ein Gesamtvolumen von über 5,5 Milliarden Euro ab“, heißt es in den Firmen-Infos.
Bis vor einem Jahr war Pallenbach noch Mitglied im Vorstand der Kammer. Bei der Wiederwahl 2016 scheiterte er aber. Alle fünf Jahre wählen die rund 12.000 Apotheker in Baden-Württemberg die Mitglieder der Vertreterversammlung. Aus deren Mitte werden Präsident, Vize und weitere elf Vorstandsmitglieder gewählt. Bei der Wahl im Herbst 2016 gab es besonders großes Interesse: Es gab deutlich mehr Bewerber für die Vertreterversammlung und auch für den Vorstand mehr Kandidaten als Plätze.
Jetzt führt Pallenbach den Arbeitskreis Sucht und Suchtprävention und ist Ansprechpartner für die Kollegen vor Ort bei allen Fragen rund um die Abhängigkeiten von suchterzeugenden Stoffen oder Arzneimitteln und deren Vorbeugung. Er befasst sich auch mit Themen aus der Apothekenpraxis, wie beispielsweise dem Arzneimittelmissbrauch oder dem Verschreiben zur Substitution. Neben illegalen Drogen werden auch legale Suchtstoffe wie Alkohol, Nikotin und Arzneimittel behandelt. Der Arbeitskreis vertritt gegenüber Behörden und dem Gesetzgeber den Standpunkt der Apotheker und unterhält zahlreiche Kontakte zu Institutionen der Suchtkrankenhilfe auf Länder- und Bundesebene.
In Köln geboren, hat Pallenbach in Heidelberg Pharmazie studiert und seine Promotion im Fach Pharmazeutische Biologie in Freiburg absolviert. Viele Jahre arbeitete er als angestellter Apotheker am Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen.
Im Auftrag der ABDA übernahm er dreieinhalb Jahre lang die Projektleitung eines Modellprojektes zum ambulanten Entzug von schlaf- und beruhigungsmittelabhängigen Menschen in Zusammenarbeit von Hausarzt und Apotheker. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesgesundheitsministerium (BMG).
An dem Modellprojekt nahmen insgesamt 46 Apotheken, 63 Hausärzte und 101 Patienten teil, die regelmäßig Benzodiazepine einnahmen. Die Patienten, zu mehr als 70 Prozent Frauen, wurden von Apothekern in Abstimmung mit dem Hausarzt beraten. Knapp die Hälfte der Patienten konnte nach Ablauf des Projektes ganz auf die Schlafmittel verzichten, 28 Prozent konnten die Dosis verringern.
„Die Ergebnisse waren nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten sehr gut“, fasste Pallenbach 2015 seine Arbeit zusammen. Doch nach dreieinhalb Jahren wurde das Projekt wie geplant beendet. „Nun ist man daran, das Gedankengut in der Breite umzusetzen.“ Die ABDA kündigte zwar an, das Projekt weiter auszubauen. Geschehen ist aber bislang nichts.
Seitdem ist es ruhig geworden um die Suchtberatung in der Apotheke. „Auf kleiner Ebene läuft es noch, vor allem bei denjenigen, die geschult wurden“, berichtete Pallenbach vor zwei Jahren. Aber um die Suchtberatung in der Apotheke durchzuführen, braucht es aus seiner Sicht derzeit „eine gehörige Portion Idealismus“. „Es kostet Arbeitszeit und man verliert die Dauerverordnung. Die Apotheker werden also praktisch dafür bestraft, dass sie den Menschen helfen“, erklärte Pallenbach. Daher sei es zwingend erforderlich, dass die Leistung honoriert werde. Das ist nicht geschehen. Während der Projektphase hatten die beteiligten Apotheker immerhin eine Aufwandsentschädigung von 150 Euro pro Patient erhalten.