Benkert: Bequemlichkeit der Kunden ist nicht der Maßstab Lothar Klein, 07.06.2018 10:08 Uhr
Neuer Schub für die Rx-Versandverbot-Petition von Apotheker Christian Redmann: Auf dem Bayerischen Apothekertag an diesem Wochenende wollen die Landesapothekerkammer und der Landesapothekerverband für die Zeichnung werben. Das kündigte der Präsident der bayerischen Landesapothekerkammer, Thomas Benkert, im Interview mit APOTHEKE ADHOC an. Außerdem will Benkert in den Apotheken nicht alle Kundenwünsche erfüllen: Der Botendienst sei keine Dauereinrichtung für Patienten, die „lieber zu Hause auf dem Sofa eine Zigarette rauchen wollen.“
ADHOC: Der Bayerische Apothekertag findet am Wochenende in für die Apotheker unsicherer Zeit statt. Die Stichworte lauten: Rx-Versandverbot, Digitalisierung, neue Bundesregierung. Was geben Sie als Präsident der Landesapothekerkammer ihren bayerischen Kollegen mit auf den Weg?
BENKERT: Es gibt in der Tat aktuell für die Apotheker viele Herausforderungen zu bewältigen. Die Frage, die uns nach wie vor am intensivsten umtreibt, ist das Rx-Versandverbot. Die Folgen des EuGH-Urteils sind weiterhin die größte Gefahr für die Apotheken vor Ort und die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln. Wir setzen unverändert darauf, dass die neue Bundesregierung das Versprechen des Koalitionsvertrages umsetzt. Das sollte für die Große Koalition eine Ehrensache sein. Union und SPD dürfen sich nicht wegducken. Ich bin da guter Dinge, dass das umgesetzt wird.
ADHOC: Auch in Bayern gibt es mit Markus Söder (CSU) einen neuen Ministerpräsidenten und im Herbst Landtagswahlen. Täuscht der Eindruck oder rückt die CSU vom Rx-Versandverbot ab?
BENKERT: Das kann ich nicht erkennen. Klar ist, dass Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) und damit die Bayerische Staatsregierung unverändert hinter dem Rx-Versandverbot steht. Von dort haben wir die volle Unterstützung im Bundesrat. Bayern ist ein Flächenstaat und benötigt die Apotheken in der Fläche, um die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen. Dazu braucht es keinen Versandhandel. Außerdem sichern die Apotheken die ländliche Infrastruktur. Ohne Apotheken wäre das Land leergefegt, dann wollte kein Mensch mehr in Dörfern leben. Sie gehören dazu wie Ärzte, Schulen und anderes mehr. Das sieht die CSU genauso wie wir. Der Versandhandel zielt nur auf die Bequemlichkeit der Verbraucher, aber wo bliebe denn dann der Nacht- und Notdienst, die Rezeptur.
ADHOC: Apotheker Christian Redmann hat eine Online-Petition zum Rx-Versandverbot auf die politische Reise geschickt. Wie steht die Bayerische Landesapothekerkammer dazu?
BENKERT: Ich werde auf dem Bayerischen Apothekertag für Unterstützung für die Petition werben und in meiner Begrüßung darauf hinweisen, dass wir das gutheißen und unterstützen. Apotheker Redmann kann auf dem Apothekertag auch Unterschriftenlisten auslegen. Die Petition ist ein Signal der Apotheker an die Politik. Auch Hans-Peter Hubmann wird als Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes sich unterstützend zur Petition äußern.
ADHOC: Das macht die ABDA nicht, sie hält die Petition für kein Instrument ihrer Lobbyarbeit.
BENKERT: Die ABDA lehnt die Petition aber auch nicht ab. Richtig ist aber, dass man das vorher hätte besser abstimmen können.
ADHOC: Die rasant fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens sorgt die Apotheker. Wird der Berufsstand abgehängt?
BENKERT: Die Apotheken verweigern sich der Digitalisierung doch nicht. Im Gegenteil: Andere Branchen können sich von der Digitalisierung in den Apotheken eine Scheibe abschneiden. Wir müssen uns nicht verstecken. Angefangen von der Warenwirtschaft über die Bestellung beim Großhandel und bis zu Abrechnung der Rezepte mit den Krankenkassen läuft doch alles digital. Viele Apotheken bieten ihren Kunden auch die Vorbestellung von Arzneimitteln via App an. Klar können und müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das weiter entwickeln. Aber Apotheken sind bei der Digitalisierung bereits ganz weit vorne.
ADHOC: Die Bequemlichkeit der Kunden diktiert die Richtung?
BENKERT: Da können wir nicht alles mitmachen, alle Wünsche erfüllen. Beispiel Botendienst: Bereits heute liefern wir im Bedarfsfall Arzneimittel nach Hause. Aber es kommt nicht selten vor, dass wir trotz der Ankündigung eines Liefer-Zeitfensters vor verschlossenen Türen stehen. Das ist vergeudete Zeit und Mühe. Der Botendienst ist außerdem nicht gedacht als Regelleistung, er ist keine Dauereinrichtung für Patienten, die nicht in die Apotheke kommen und lieber zu Hause auf dem Sofa eine Zigarette rauchen wollen. Ich finde, der Botendienst sollte daher nicht ausgeweitet werden.
ADHOC: Andere Apotheker planen aber den Einstieg in die Plattformökonomie, wollen die knapp 20.000 Apotheken, deren Lager und Botendienst vernetzten, um Amazon & Co. Paroli bieten zu können. Ist das die Zukunft?
BENKERT: Davon halte ich nichts. Der Patient kommt doch zu mir in meine Apotheke und möchte das Arzneimittel von mir mitbekommen. Ich glaube nicht, dass das mit der Vernetzung akzeptiert wird, wenn der Patient über eine Plattform bestellt und das Arzneimittel von irgendeiner Apotheke in seiner Nähe erhält. Außerdem ist das Datenschutzproblem dabei nicht gelöst. Nochmals: Wir dürfen der Bequemlichkeit nicht an allen Ecken und Ende Vorschub leisten.
ADHOC: Aber die Ärzte haben doch gerade mit der Fernbehandlung den Weg dafür frei gemacht.
BENKERT: Das sehe ich daher äußerst kritisch. Das müssen wir uns genau ansehen und die Entwicklung im ärztlichen Bereich genau beobachten. Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Ärzte mit der Telemedizin nicht selbst ein Bein stellen, wenn die Fernbehandlung vielleicht bald aus einem Billiglohnland angeboten wird. Ich sehe in der Fernbehandlung große Risiken, nicht nur bei der Behandlung von schwer zu diagnostizierenden Erkrankungen. Damit wird auch eine Tür für neue kriminelle Aktivitäten geöffnet, wenn beispielsweise über Fernbehandlungen Arzneimittel mit Suchtpotenzial verordnet werden.
ADHOC: Mit der Fernbehandlung wird auch das E-Rezept in absehbarer Zeit kommen. Wie gehen Sie damit um?
BENKERT: Beim E-Rezept verweigern wir Apotheker uns nicht. Wichtig ist aber, dass der Patient die Hoheit über das Rezept behält, dass der Patient entscheidet, welche Apotheke das Rezept beliefern soll und er dabei nicht durch monetäre Anreize gesteuert wird. Die freie Apothekenwahl darf nicht angetastet werden – weder durch den Arzt noch durch die Krankenkassen. Das ist der wichtigste Punkt.
ADHOC: Wer bezahlt die neue Dienstleistung der Übertragung des E-Rezepts vom Arzt zum Apotheker? Das wird nicht kostenlos gehen.
BENKERT: Das ist meines Erachtens noch eine offene Frage, die sicher zwischen den Apothekerverbänden und den Krankenkassen zu klären sein wird.
ADHOC: Wie geht es den Apotheken in Bayern wirtschaftlich?
BENKERT: Die wirtschaftliche Lage hat sich nicht verändert. Wir registrieren nach wie vor Schließungen auf stetigem Niveau. Im ersten Quartal 2018 haben in Bayern 15 Apotheken geschlossen. Der Prozess setzt sich also fort. Aber wir haben in Bayern bei der Versorgung noch keine weißen Flecken.