Eigentlich haben die Großhändler einen Belieferungsanspruch gegenüber der Industrie, doch nach wie vor gibt es Exklusivvertriebsmodelle, bei denen die Hersteller nur ausgewählte Firmen mit der Auslieferung beauftragen. Daher fordert der Branchenverband Phagro eine europäische Regelung.
Nachdem vor allem große Pharmakonzerne vor 15 Jahren versuchten, den Großhandel mit Exklusiv- oder Direktvertriebskonzepten zu umgehen, konnte der Phagro einen Belieferungsanspruch durchsetzen. Nach § 52b Arzneimittelgesetz (AMG) müssen die Hersteller „im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung vollversorgender Arzneimittelgroßhandlungen gewährleisten“.
Damit verstoßen Vertriebsmodelle, bei denen nur einzelne Großhändler die Ware bekommen, sowohl ordnungsrechtlich gegen die arzneimittelrechtlichen Vorgaben als auch gegen Wettbewerbsvorschriften. „Das wird aber bislang nicht in allen Ländern der Europäischen Union so gesehen bzw. gesetzlich umgesetzt, geschweige denn durchgesetzt. Übrigens auch in Deutschland nicht“, so ein Sprecher des Phagro.
Insofern brauche man aus zwei Gründen eine europäische Ermächtigungs- und Durchsetzungsgrundlage: „Erstens als Rechtfertigung für unsere deutsche Praxis. Zweitens im Sinne einer Harmonisierung des europäischen Rechts, damit Ansprüche in allen Mitgliedsstaaten auf demselben Level durchgesetzt werden können und als Rechtsgrundlage für eine mögliche Durchsetzung zwischen den Parteien oder/und staatlicherseits. Die Grundlage muss aus unserer Sicht durch eine Aufnahme des Belieferungsanspruch in der EU-Pharmarechtsrevision gelegt werden.“
Konkret fordern die Großhändler eine Lösung über die geplanten Änderungen am EU-Pharmapaket. Das EU-Parlament hatte im April die finalen Ausschussberichte zur Pharmarechtsrevision angenommen. Dabei blieb die Forderung des Phagro und seines europäischen Dachverbands Girp allerdings unberücksichtigt.
„Die EU darf die Chance, die Arzneimittelversorgung in Zeiten von Lieferengpässen zu stärken, nicht verstreichen lassen“, so der Phagro-Vorsitzende Marcus Freitag (Phoenix). „Deshalb muss der Belieferungsanspruch des Pharmagroßhandels im Rahmen des Trilog-Verfahrens unbedingt Eingang ins EU-Pharmapaket finden.“
Konkret geht es um eine Anpassung des Artikels 56 (3) der entsprechenden Richtlinie. Im Rahmen der sogenannten Public Service Obligation sollen die Unternehmen zur Belieferung des Großhandels verpflichtet werden. Das EU-Parlament hat anders entschieden und seine Positionierung für das Trilog-Verfahren festgelegt. Diese lässt laut Phagro Umgehungsmöglichkeiten und die Nichtbelieferung des Großhandels ausdrücklich zu, etwa durch die ausschließliche Belieferung nicht-vollversorgender Großhändler oder das Direktgeschäft an Apotheken.
Allein die vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen seien gesetzlich dazu verpflichtet, die Apotheken bedarfsgerecht und kontinuierlich mit Arzneimitteln zu versorgen. Diesen gesetzlichen Sicherstellungsauftrag können laut Phagro die Vollversorger nur mit einem Belieferungsanspruch erfüllen.
„Wir setzen darauf, dass Parlament, Rat und Kommission im Trilog-Verfahren die gemeinwirtschaftliche Leistung der vollversorgenden pharmazeutischen Großhändler anerkennen. Nur wir stellen eine kontinuierliche, auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnittene Versorgung sicher“, so Freitag. Dafür würden die Lagerbestände konstant und bedarfsgerecht optimiert und die Ausgaben für Arzneimittel in großem Volumen vorfinanziert.
„Diese wichtige Aufgabe können wir nur wahrnehmen, wenn die zuständigen nationalen Behörden eine angemessene und kontinuierliche Belieferung durch die Industrie nachhalten“, betont Freitag. „Das Recht der vollversorgenden Pharmagroßhändler auf Belieferung anzuerkennen, hieße ausdrücklich nicht, das Direktgeschäft oder andere Vertriebsmodelle zu beeinträchtigen oder zu verbieten, sondern es geht um einen fairen und am Sicherstellungsauftrag orientierten Marktzugang.“
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