Beipackzettel: Digital statt Zettelwirtschaft Lothar Klein, 15.07.2016 08:20 Uhr
Beipackzettel sind für die meisten Patienten schwer verständlich und schrecken mit ihrer Darstellung der Risiken und Nebenwirkungen mitunter sogar von der Einnahme des Arzneimittels ab. Einmal aus der Packung gezogen, bekommt man das mehrfach industriell gefaltete Papier meist nicht wieder in die Pappschachtel. Mit diesen Problemen will jetzt ein Pilotprojekt aufräumen. In zwei Jahren soll der Prototyp eines digitalen Beipackzettels fertig sein.
Zusammengeschlossen im Pilotprojekt haben sich Rote Liste Service, mehr als ein Dutzend Hersteller, Patienten, Apotheker, Behörden sowie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Verband Forschender Pharma-Unternehmen (VfA) mit dem Ziel, „Informationen über Arzneimittel für Patienten besser verfügbar“ zu machen. Zukünftig sollen die Gebrauchsinformation dann über das Smartphone und eine Website zur Verfügung stehen. Wer nicht online ist oder sein möchte, soll einen Ausdruck in der Apotheke erhalten können. Das Pilotprojekt ist auf zwei Jahre angelegt.
Die Vorteile einer digitalen Gebrauchsinformation für Patienten liegen auf der Hand: Anders als die gedruckte Packungsbeilage kann ein digitaler Beipackzettel ständig aktualisiert werden. Er lässt sich in unterschiedlichen Schriftgrößen anzeigen, was Menschen mit eingeschränkter Sehkraft zu Gute kommt. Und er kann dem Anwender nicht verloren gehen oder versehentlich weggeworfen werden. „All das bietet Patienten echten Mehrwert und erhöht die Arzneimitteltherapiesicherheit“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Projektgruppe.
Bevor über die Inhalte der Beipackzettel diskutiert wird, sollen im ersten Schritt gemeinsame Standards für die IT-Infrastruktur definiert werden, und diese auf ihre Praxistauglichkeit und Nutzerfreundlichkeit überprüft werden.
Die Verbesserung der Beipackzettel ist seit Jahren immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Appellen. Kürzlich hatte der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) die Politik aufgefordert, die Rolle der Apotheker als Arzneimittelexperten zu stärken und ihnen eine Schlüsselrolle zuzuweisen. Es werde eine ständige Herausforderung bleiben, alle Anforderungen, die an Gebrauchsinformationen für Arzneimittel gestellt würden, „möglichst konfliktarm zu erfüllen“. Einfache sprachliche Darstellung finde ihre Grenzen, wenn sie zu Lasten einer umfassenden und auch präzisen Information der Patienten gehe. „Gebrauchsinformationen werden daher nie eine leichte Lektüre werden“, so der BAH in einem schreiben an die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses des Bundestages. Der Wunsch nach patientenfreundlicheren Informationen und weniger umfangreichen Risikoangaben seien „ein unlösbarer Widerspruch“.
Manfred Saar, dem Präsidenten der Apothekerkammer Saarland, hatte zur kurzfristigen Vereinfachung eine verständliche Kurzanleitung für Patienten als Ergänzung zum Beipackzettel vorgeschlagen. „Ein kurzer Zettel kann auch für die Hersteller kein Riesenaufwand sein“, so Saar. Gerade ältere Patienten seien noch nicht so mit Smartphones und Internet vertraut, dass man andere elektronische Wege gehen könne. In den Apotheken gebe es aber „enorm viele Nachfragen“ von Patienten, die die Informationen der Beipackzettel nicht verstünden.
Auch der Bundesrat hat sich im März mit dem Thema befasst: In einer Entschließung setzt sich die Länderkammer für Beipackzettel ein, deren Inhalte leicht erfassbar sind und bei denen Verbraucher den Zweck der Medikamente und mögliche Nebenwirkungen schnell auffinden können. Darum soll sich jetzt die Bundesregierung kümmern.