Bedarfsplanung

Streit um Arztsitze

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Berlin -

Fehlen Ärzte oder müssen sie nur besser verteilt werden? Über diese Frage streiten Mediziner und Krankenkassen regelmäßig. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) hat nun im Ärzteatlas das regionale Versorgungsangebot analysiert und festgestellt, dass zahlreiche Gebiete überversorgt sind. Die Ärzte wehren sich gegen diese Schlussfolgerung und melden grundsätzliche Zweifel an der Berechnung des Bedarfs an.

Zuletzt war die Bedarfsplanung im Vorfeld des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) Thema, das Mitte Juni vom Bundestag verabschiedet wurde. Dabei ging es darum, ab welchem Grad der Überversorgung Arztsitze aufgekauft werden müssen. Beschlossen wurde, dass Arztsitze bei einem Versorgungsgrad von mehr als 110 Prozent aufgekauft werden können und ab 140 Prozent aufgekauft werden sollen. Im Einzelfall entscheiden die Ärzte und Kassen vor Ort.

Laut WidO kamen im vergangenen Jahr 451 berufstätige Ärzte auf 100.000 Einwohner – fast 50 Prozent mehr als 1991. Alle Bundesländer verzeichneten demnach deutliche Zuwächse. „Gemessen an den Bedarfsplanungsrichtlinien herrscht bei den Vertragsärzten vielfach Überversorgung“, heißt es beim WidO. Da diese viele Ressourcen binde, komme es zu Verteilungsproblemen.

Insgesamt, also bezogen auf alle Ärzte, wird das Plansoll laut WidO bundesweit um fast ein Drittel übertroffen. Auch jede Arztgruppe für sich liege in der bundesweiten Betrachtung deutlich über dem Soll – selbst die Hausärzte. Bei diesen ergebe sich bundesweit ein Versorgungsgrad von 110,4 Prozent. Lediglich Sachsen-Anhalt weise mit 99,6 Prozent eine leichte Unterdeckung auf.

„Es gibt also insgesamt mehr Hausärzte, als im Rahmen der Bedarfsplanung nötig wären“, so das Fazit des WidO. Allerdings gebe es regional enorme Unterschiede: Einer Unterversorgung oder drohenden Unterversorgung in einigen Landstrichen stehe eine deutliche Überversorgung in für Ärzten attraktiven Regionen gegenüber.

Bei anderen Arztgruppen sei die Überversorgung wesentlich ausgeprägter als bei den Hausärzten, zeigt die Untersuchung des WidO. Bei Chirurgen, Urologen, Orthopäden, Kinderärzten, Nervenärzten und Gynäkologen seien fast alle Planungsbereiche überversorgt, bei Anästhesisten und Fachinternisten sogar alle. Bei Kinder- und Jugendpsychiatern zeige sich ein Nebeneinander von hohen und niedrigen Versorgungsgraden.

Das WidO weist zudem auf eine vergleichsweise große Zahl an älteren Ärzten hin, die auf absehbare Zeit Praxisnachfolger suchen würden. 32 Prozent der Hausärzte seien 60 Jahre oder älter. Immerhin: In überversorgten Regionen müsse nicht jeder frei werdende Arztsitz wieder besetzt werden. Kritisch sei die Lage aber dort, wo ungünstige Faktoren kumulierten – ein niedriger Versorgungsgrad, ein hoher Altersanteil bei den Ärzten und Schwierigkeiten mit der Wiederbesetzung.

Regina Feldmann, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), betonte in Reaktion auf den Ärzteatlas, dass die Planung von Arztsitzen gemeinsam durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und die Krankenkassen erfolge. „Für Sitze, die zusätzlich zur Planungsgrenze von 110 Prozent hinzugekommen sind, hat auch aus Sicht der Krankenkassen eine Notwendigkeit für die Versorgung der Patienten bestanden.“

Nicht vergessen werden dürfe, dass die Praxen in überversorgten Gebieten, etwa Städten, auch Patienten aus dem Umland mitversorgten, so Feldmann. „Im Übrigen wurden die Verhältniszahlen niemals dafür geschaffen, um Aussagen darüber zu treffen, ab wann es zu viele Ärzte gibt.“

Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) verwies auf die veraltete Datenbasis: „Der Gesetzgeber dringt selbst darauf, diese Zahlen zu überarbeiten.“ So werde etwa nicht berücksichtigt, dass zunehmend Behandlungen ambulant durchgeführt würden. „Diese Entwicklung kann heute schon in vielen Städten beobachtet werden.“ Sie verstärke die Bedeutung von Städten für die Versorgung des Umlands. Auch die Alterung der Gesellschaft und die Urbanisierung erforderten ein Umdenken in der Bedarfsplanung.

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