Der von den Gesundheitspolitikern der Regierungskoalition diskutierte Honorardeckel für hochpreisige Arzneimittel ist für den Deutschen Apothekerverband (DAV) eine inakzeptable Provokation. Zum Auftakt des 53. DAV-Wirtschaftsforums in Berlin sagte DAV-Chef Fritz Becker: „Dieses Ansinnen ist nicht nur eine Provokation für uns Apotheker, es ist schlichtweg eine Missachtung unserer Arbeit.“ Der Vorschlag der Regierungskoalition sei „absolut inakzeptabel.“ Die Apotheker würden sich mit „allen Mitteln zur Wehr setzen“.
Der Honorardeckel stelle die bewährte Mischkalkulation bei Fertigarzneimitteln in Frage, so Becker. Dieses Ordnungsprinzip könne man nicht einfach bei innovativen und teuren Arzneimitteln „selektiv aushebeln“. Die Apotheker trügen das finanzielle Lagerrisiko für Hochpreiser, „wir müssen die Ware zwischenfinanzieren, wir holen für die GKV den Herstellerrabatt und finanzieren ihn vor, wir riskieren unter Umständen eine Nullretax und sollen bei der Vergütung gedeckelt werden. Nein, nicht mit uns“, so Becker.
Die Leistung der Apotheker zum Beispiel bei der Versorgung der Flüchtlingen könne nur auf einer gesicherten wirtschaftlichen Basis geschehen, sagte Becker. In diesem Zusammenhang begrüßte Becker die gesetzliche Festschreibung des Kassenabschlags auf 1,77 Euro als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Jetzt müssten klare Regeln für eine regelmäßige Honoraranpassung folgen.
Zwar beteilige sich der DAV im Beirat am zweijährigen Forschungsprojekt Apothekenhonorar des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). Dies sei allerdings eine „provokante und unnötige Verzögerung, auf unsere berechtigten Forderungen einzugehen“, kritisierte der DAV-Chef.
Umso dringender sei es, in er anstehenden Arzneimittelgesetzgebung eine Erhöhung der Vergütung für Rezepturen und die Abgabe von Betäubungsmitteln zu verankern. Die Apotheken stellten jährlich acht Millionen Rezepturen her. Dies sei aufwändig und die Dokumentationsanforderungen seien gestiegen. Dafür „brauchen wir eine angemessene Honorierung“, so Becker. Rezepturarzneimittel müssten mit dem selben Fixhonorar von 8,50 Euro vergütet werden wie Fertigarzneimittel.
Wie schon im Vorjahr wiederholte Becker die DAV-Forderung, das Nacht- und Notdiensthonorar von 16 Cent auf 20 Cent zu erhöhen: „Wir erwarten von der Politik, dass sie endlich für ihr Versprechen der Förderung des Notdienstes mit 120 Millionen Euro einsteht“, so Becker.
Keine Informationen lieferte Becker zum aktuellen Stand der Verhandlungen mit der Schiedsstelle zum Thema Retaxationen. Er danke aber der Schiedsstelle „für ihr großes Engagement in dieser so vielschichtigen und wichtigen Sache“.
Becker unterstrich die Bereitschaft der Apotheker, bei der Erfüllung der von den Krankenkassen geschlossenen Rabattverträge mitzuwirken. Leider sei allerdings festzustellen, dass die Lieferprobleme bei einigen Rabattarzneimitteln wieder zunähmen. Becker forderte die Kassen auf, über ihre Ausschreibungspolitik nachzudenken und künftig stets Rabattverträge mit mindestens drei Bietern abzuschließen und auf Exklusivverträge zu verzichten.
Becker kündigte an, dass in den nächsten Tagen mit dem GKV-Spitzenverband und dem Großhandelsverband Phagro ein Gespräch über die Problematik der Meldung von Lieferengpässen stattfindet. Die „klaren Aussagen des Großhandels müssen genügen – einen zusätzlichen Bürokratieaufwand lehnen wir ab.“
Von den Krankenkassen forderte Becker, auf Ausschreibungen bei Zytostatika zu verzichten. Zytostatika seien für Rabattverträge nicht geeignet. „Die Krankenkassen haben hier leider jedes Maß verloren“, so der DAV-Vorsitzende. Dadurch werde die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung von Krebspatienten gefährdet. Von der Politik forderte Becker dazu entsprechende Gesetzesänderungen: „Wir brauchen Taten, diese Versorgung zu sichern.“
Nach wie vor „unverständlich“ sei, warum die Bundesregierung die Apotheker bei der Erstellung des neuen Medikationsplans nicht voll einbezogen habe, kritisierte Becker. Jetzt müsse man aus dem Gesetz „das Beste machen“. Ein Medikationsplan reiche alleine nicht aus: „Daher fordern wir den Anspruch des Patienten auf eine Medikationsanalyse“.
Klare Worte fand der DAV-Vorsitzende ohne namentliche Nennung für den Streit zwischen der Apothekerkammer Westfalen-Lippe und dem dortigen Verband über den Abschluss eines Medikationsvertrags mit einer Krankenkasse: „Dabei müssen Verbände und Kammern eng zusammenarbeiten. Vertragspartei ist und bleiben der DAV und entsprechend die Landesapothekerverbände – ohne wenn und aber“, rüffelte Becker das Vorpreschen der Kammer in Westfalen-Lippe. Eine Beteiligung der Kammern sei aber vorstellbar.
Ausbauen will Becker die Zusammenarbeit mit den privaten Krankenversicherungen (PKV). In Kürze werde der DAV über zwei neue Verträge mit der AXA über die wirtschaftliche Versorgung Privatversicherter mit Arzneimitteln entscheiden. In den Verträgen wird die Austauschbarkeit von verordneten Originalpräparaten gegen Generika geregelt.
APOTHEKE ADHOC Debatte