Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, hat beim Wirtschaftsforum eingeräumt, dass der Erhalt der Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel nicht zu erreichen sei: Auch mit Beibehaltung von § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) sei die „Einheitlichkeit der Apothekenabgabepreise“ nicht so wirksam zu sichern wie mit einem Rx-Versandverbot: „Die ehrliche Antwort lautet: Nein“, sagte Becker. Man wolle trotzdem mit der Politik im Gespräch bleiben und setze sich „bis zur letzten Minute“ für die bestmögliche Lösung ein.
Nach dem Amtsantritt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei es eine „bittere Erkenntnis“ gewesen, dass Spahn kein Versandverbot wolle. „Das war schnell klar“, so Becker. Man hätte als Standesvertreter versuchen können, es trotzdem einfordern zu können. Becker: „Aus meiner Sicht ein aussichtslose Unterfangen.“ Daher habe man die Chance ergriffen, auf anderem Wege die Gleichpreisigkeit zu sichern und den Einstieg in honorierte Dienstleistungen zu erreichen. „Es ist nicht klar, wann und ob eine solche Chance wiederkommt“, sagte der DAV-Chef.
Mit diesen neuen „Entwicklungschancen“ verbessere man nicht nur die Versorgung der Patienten, sondern stärke außerdem die Apotheken vor Ort. Letztlich habe sich die ABDA daher dazu entschlossen, „gemeinsam mit der Politik die Zukunft öffentlicher Apotheken zu sichern“. Becker: „Auch Standespolitik ist die Kunst des Möglichen.“ Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass der vorliegende Entwurf zum Apothekenstärkungsgesetz eine „vollständige Rückkehr zur Gleichpreisigkeit nicht vorsieht“.
Die ABDA habe mit ihrer Verhandlungsstrategie „zum wiederholten Mal gezeigt, dass man mit uns Apothekern reden kann, dass wir kompromissbereit und vor allem auch kompromissfähig sind“, rechtfertige Becker die Vorgehensweise. Dieser Weg sichere der Apothekerschaft „unsere Sprachfähigkeit gegenüber der Gesundheitspolitik“. „Denn wer sich auf ein einziges Thema versteift oder rein konfrontativ auftritt, verpasst den Anschluss nur allzu leicht“, erklärte Becker: „Wir selber haben an guter Zusammenarbeit mit der Politik ein großes Interesse.“
Vor allem ergebe sich jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit, intensiviert pharmazeutische Dienstleistungen honoriert und erstattungsfähig anbieten zu können, ohne eine zwingende Verbindung zur Abgabe eines Arzneimittels. „Eine solche Neuorientierung muss vom Berufsstand ohne Wenn und Aber mit großen Engagement getragen werden“, forderte Becker Kammern und Verbände zur Geschlossenheit auf: „Wir können sie daher nur mit, nicht gegen die Politik umsetzen.“
Der geplante Einstieg in gesondert honorierte Dienstleistungen werde die Arbeit in den Apotheken wieder „interessanter und attraktiver“ machen. Das gelte sowohl für Apotheker wie PTA. So könne auch die geplante Ausbildungsreform für PTA hier Akzente setzen. Allerdings forderte Becker die Politik auf, die vorgesehene Summe von 150 Millionen Euro für pharmazeutische Dienstleistungen zu erhöhen. Man müsse die „Realität der anstehenden Reform im Auge behalten“, so Becker. Im Referentenentwurf rede man über eine Summe von rund 120 Millionen Euro netto. Damit sei der Spielraum begrenzt und ein Großteil guter und sinnvoller Ideen und Vorschläge lasse sich damit nicht umsetzen.
„Hier bedarf es einer deutlichen Nachjustierung“, forderte der DAV-Chef: „Die Summe muss deutlich erhöht werden und mit einer Dynamisierungsklausel versehen werden“. Außerdem forderte Becker, Dienstleistungsentgelte für Apotheken von der Mehrwertsteuer zu befreien. Zusätzliche Dienstleistungen könnten aber die Beratung bei der Arzneimittelabgabe nicht ersetzen, sagte Becker, „deshalb muss auch unser Fixum mittelfristig weiterentwickelt werden“.
Bei allem Verständnis für wachsende Ungeduld im Apothekenlager biete die Einführung neuer Dienstleistungen für die ABDA auch die Chance, die Reform „verantwortlich zu begleiten und damit die Chance für eine erfolgreiche Umsetzung weiter zu erhöhen“. „Scheitern ist dabei keine Option“, so Becker: „Nur wenn wir uns jetzt beweisen und zeigen, dass wir es können, können wir mittel- und langfristig aufsatteln.“
Positiv äußerte sich der DAV-Chef zum Thema Grippeimpfungen in Apotheken. Für ihn sei das eine „Herzensangelegenheit“. Trotz des Widerstands der Ärzte begrüße er die Möglichkeit zu Modellvorhaben. Darüber könne man lernen, Impfungen sicher und sinnvoll umzusetzen. Daher sei es sinnvoll, diesen neuen Ansatz auf regionaler Ebene zu erproben.
„Sie sehen, wir stehen vor großen Aufgaben und wir haben viel vor. Schaffen können wir das aber nur gemeinsam“, sagte Becker: „Daher appelliere ich an Sie und uns als Apothekerschaft, uns mit ganzer Kraft auf die Gestaltung der neuen Herausforderungen zu fokussieren.
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