Wenige Tage vor Beginn der Verhandlungen zum Kassenabschlag 2013 lässt der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, die Muskeln spielen: Ausgangspunkt für die Gespräche müsse der Betrag von 1,75 Euro sein – dies sei politisch fest zugesagt. „Für den Fall, dass der GKV-Spitzenverband den Ausgangswert für die Verhandlungen anders sehen sollte, wird es nicht viel zu verhandeln geben.“ Der DAV werde dann sofort die Schiedsstelle anrufen.
Sollten die Kassen mauern, wisse man die Kollegen hinter sich, so Becker: „Die Branche hat gezeigt, dass sie zum Kampf bereit ist.“ Die ABDA habe bereits sichergestellt, dass genug Geld für öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zur Verfügung stehe.
So weit sei es aber noch nicht: „Noch ist der Weg offen, sachlich nach Lösungen zu suchen, und zwar gemeinsam.“ Wie die Kassen hätten auch die Apotheker ein Interesse daran, dass beim Abschlag gesetzgeberisch für klare Rechtsverhältnisse gesorgt werde: Statt regelmäßig über den Abschlag zu verhandeln, benötige man künftig eine regelmäßige Anpassung des Fixums. Er könne sich Lösungswege vorstellen, die sowohl Apothekern als auch Kassen gerecht würden, so Becker.
Allerdings sieht Becker das Verhältnis zu den Kassen als angespannt: Mehr und mehr müsse man erkennen, dass die Partnerschaftlichkeit Schaden nehme. Als Beispiele nannte Becker die zunehmende Flut an Retaxationen und die Rabattverträge. Die Kassen hätten sich daran gewöhnt, dass die Apotheken die Vorgaben sauber umsetzten. Mit viel Mühe füllten die Mitarbeiter die Rabattverträge mit Leben – ohne sie könne kein Cent aus den Rabattverträgen generiert werden. „Statt diesen Einsatz zu würdigen, werden wir aber von einigen Kassen mit Mahnschreiben in belehrendem Ton überhäuft. Partnerschaftlicher Umgang ist das nicht – ganz im Gegenteil.“
Becker kritisierte die wiederkehrenden Lieferprobleme, durch die die Glaubwürdigkeit der Apotheker Schaden nehme: Statt Drohbriefe zu schreiben, sollten die Kassen ihre Hausaufgaben machen und nach ausreichender Vorlaufzeit nur Rabattpartner an Bord nehmen, die nachweislich liefern könnten: „Es kann nicht sein, dass Hersteller erst nach einem Quartal liefern müssen, während wir vom ersten Tag an Lasten tragen müssen“, so Becker mit Blick auf das wirtschaftliche Risiko.
Der DAV-Chef monierte auch die Retaxierungen der Kassen aufgrund von Formfehlern. Hier werde der Bogen eindeutig überspannt: Die pharmazeutische Leistung sei erbracht, die Zahlung werde aber verweigert – die Kassen organisierten also letztlich die Arzneimittelversorgung auf Kosten des Apothekers: „Anderswo nennt man so etwas Zechprellerei.“
Der DAV versuche seit Monaten, eine Lösung mit den Kassen zu finden, sodass auch bei Formfehlern eine Heilungsmöglichkeit eingeräumt werde. „Dass wir nicht weiterkommen, liegt eindeutig an der Unbeweglichkeit der Kassen“, so Becker. Wenn es aber nicht bald zu einer Lösung komme, werde man überlegen, Patienten mit uneindeutigen Verordnungen zum Arzt zurück zu schicken – oder gleich zur jeweiligen Kasse. Becker: „Wir Apotheker sind keine Verwaltungsmaschinerie wie eine Krankenkasse. Wir Apotheker managen Gesundheit – uns die Zahlung zu verweigern, nur weil auf einem Rezept die Telefonnummer des Arztes fehlt, ist schlicht und ergreifend Schikane.“
Auch die Vorgaben zur Hilfsmittelversorgung zeigen laut Becker, dass die Kassen „die Bedürfnisse ihrer Versicherten völlig aus dem Auge verloren“ haben. Die „exzessiven Kostendämpfungsmaßnahmen“ der Kassen gingen auf Kosten der Versicherten und der Leistungserbringer und seien angesichts der gigantischen Reserven in der GKV nicht zu verstehen.
Vor diesem Hintergrund kritisierte Becker auch die Forderung der Kassen, für die Berechnung der Apothekenmarge künftig den Erstattungs- anstelle des Listenpreises heranzuziehen: Das Gesetz sei so eindeutig wie sonst selten. „Gesetze gelten auch für Krankenkassen.“
Mit dem neuen Apothekenhonorar ist Becker äußerst unzufrieden: Die 25 Cent seien ein politischer Betrag; alleine Bundeswirtschafts- und -gesundheitsministerium trügen die Verantwortung dafür: „Es gab nichts zu verhandeln.“
Zwar sei nicht davon auszugehen gewesen, dass die unterbliebenen Anpassungen der Vergangenheit auf einen Schlag nachgeholt würden. Aber die Rechenmethodik sei inakzeptabel, zumal das Mehr an Leistung nicht anerkannt werde. „So etwas gibt es in keinem Berufszweig im Gesundheitswesen.“
Die Apotheken seien weiterhin unterfinanziert, es gebe weiterhin „erheblichen Nachholbedarf“. Vor allem dürfe es nicht wieder fast zehn Jahre dauern, bis das Honorar erneut überprüft werde. Becker, der als DAV-Chef wiedergewählt werden will, versprach, diese Forderung „bei jeder sich bietenden Gelegenheit“ politisch vorzutragen: „Dafür stehe ich.“
Becker dankte den Kollegen, die an den Warnstreiks und Protestaktionen teilgenommen haben: Dies habe zwar politisch zu keiner Wende geführt, aber es sei Bewegung in die Sache gekommen. Man werde nun darauf achten müssen, dass die sogenannte Sicherstellungspauschale im Notdienst nicht denselben Weg geht wie das im Koalitionsvertrag verankerte Pick-up-Verbot: „den Weg ins Nirwana“.
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