Das Pick-up-Modell einer Apotheke im bayerischen Freilassing bleibt für die Justiz eine harte Nuss. Nach dem Bundesgerichtshof (BGH) hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit der deutsch-ungarischen Kooperation befasst. Beide Gerichte trennen dabei zwischen der Abgabe und der Bezahlung des Arzneimittels. Im Einzelfall wird das Modell damit zwar de facto lahm gelegt, die Folgen der Entscheidungen sind jedoch schwer absehbar. Noch ist allerdings das letzte Wort nicht gesprochen: Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist möglich.
Kunden der Alpen-Apotheke in Freilassing konnten seit dem Frühsommer 2008 ihre Medikamente bei der Europa Apotheke (Európa Gyógyszertár) in Budapest bestellen, die der Familie der deutschen Apothekeninhaberin zuzurechnen ist. Die deutsche Originalware wurde laut Urteil nach Budapest gebracht und anschließend wieder importiert. In der deutschen Apotheke wurden die Lieferungen kontrolliert und an den Kunden übergeben.
Neben OTC-Rabatten gab es einen Nachlass von 10 Prozent auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die ungarische Apotheke quittierte auf der Verordnung den Apothekenverkaufspreis, die Rechnung wies zusätzlich den Rabatt aus. Die Kunden zahlten in der Alpen-Apotheke, die das Geld auf ein österreichisches Konto des ungarischen Partners überwies. Nach eigener Auffassung fungierte die Apotheke in Bayern nur als eine Art Taxi-Unternehmen zwischen dem Kunden und der ungarischen Apotheke.
Das Landratsamt verbot der Inhaberin der Alpen-Apotheke im Juli 2009, die Preisvorschriften auf diese Weise zu umgehen und einen abweichenden Betrag auf das Rezept zu drucken. Angegriffen wurde außerdem, dass Arzneimittel im Namen einer anderen Apotheke und ohne Angabe des Namens der deutschen Apotheke auf dem Rezept abgegeben wurden.
Die Apothekerin klagte gegen den Bescheid und setzte sich in der Vorinstanz in einigen Punkten durch. Beide Seiten gingen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München in Berufung.
Aus Sicht des VGH darf die Apothekerin durchaus Arzneimittel mit Rechnung der ungarischen Apotheke abgeben – ein Bote ist sie dann aber eben nicht. Mit der Prüfung der Medikamente auf Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit verantworte sie die Abgabe und trage auch das rechtliche Risiko.
Dass die ungarische Apotheke die Leistung abrechnet, ist laut Gericht zwar möglich: Die eigenverantwortliche Abgabe durch die deutsche Apotheke müsse jedoch auf der Verordnung vermerkt werden: „Sofern hier nur die ungarische Apotheke angegeben würde, ließe dies auf eine geteilte Verantwortung schließen“, so das Gericht.
Die Richter unterschieden hier zwischen der rein wirtschaftlichen Abrechnung und der Abgabe. Mit dem Urteil sei eine „gemischte Lösung“ gefunden worden, heißt es beim VGH auf Nachfrage. Sozialrechtliche Fragen der Abrechnung mit der Krankenkasse seien dagegen nicht erörtert worden, so eine Sprecherin des Gerichts.
So ähnlich hatte auch der BGH im zivilrechtlichen Verfahren entschieden: Die Karlsruher Richter werteten das Konstrukt als zulässigen Import von Arzneimitteln. Empfängerin der Lieferungen sei nicht der Endkunde, sondern die zur Einfuhr aus einem EU-Mitgliedstaat berechtigte Apotheke. Für die Frage der Arzneimittelsicherheit sei es unerheblich, auf wessen Rechnung die Arzneimittel vertrieben würden, so der BGH.
Aus dieser Überlegung folgt aus Sicht beider Gerichte aber auch, dass die gewährten Rx-Boni unzulässig waren. Da die Arzneimittel in der deutschen Apotheke abgegeben wurden, seien auch die deutschen Preisvorschriften maßgeblich. Die Rx-Boni gibt es in dem Modell daher nicht mehr. Die OTC-Rabatte wären höchstens noch eine umsatzsteuerrechtlich relevant, was aber im Verwaltungsrecht keine Rolle spielt.
Die Apothekerin trägt zwei Drittel der Verfahrenskosten, die Behörde wegen der teilweise unzulässigen Bescheide den Rest. Beide Seiten können Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen.
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