Basisapotheker: Merkel soll unsägliches Treiben beenden APOTHEKE ADHOC, 20.12.2017 11:05 Uhr
Eigentlich sollte das Honorargutachten noch im Herbst veröffentlicht werden. Doch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat immer noch keinen Termin festgesetzt. Derweil sind aber bereits komplette Entwürfe bekannt geworden und sorgen für Diskussionen und Aufregung. Die ABDA hat das Verfahren scharf kritisiert. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordern nun die Basisapotheker aus Westfalen-Lippe, „diesem Treiben“ rasch ein Ende zu bereiten.
Mit „großer Verwunderung und Entrüstung“ müsse man feststellen, dass seit nunmehr einem Monat von dem vom BMWi an „2hm“ in Auftrag gegebene Gutachten zum Apothekenhonorar Inhalte von unterschiedlichen Medien vorab veröffentlicht worden seien. „Die deutschen Apotheken sehen sich dadurch unter anderem selbst durch Körperschaften des öffentlichen Rechtes wie den GKV-Spitzenverband des Vorwurfs der Unwirtschaftlichkeit ausgesetzt, ohne diesen entkräften zu können.
„Ich halte es deshalb für nicht tragbar, dass das BMWi - erst auf Anfrage und auch dann – lediglich sein Bedauern über ‚Vorab-Leaks‘ äußert, sich aber weder zu den Inhalten und insbesondere zur Plausibilität des Gutachtens äußert noch es (unter Vorbehalt) veröffentlicht“, schreibt Gunnar Müller von der Sonnen Apotheke aus Detmold. „Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie bitten, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten diesem unsäglichen Treiben noch vor Weihnachten ein Ende zu machen und auf das BMWi einzuwirken, das Gutachten nunmehr endlich zu veröffentlichen und entsprechend zu kommentieren.“
Der APOTHEKE ADHOC vorliegende Entwurf des Gutachtens enthält verschiedene Vorschläge zum Umbau des Apothekenhonorars und der Marge für den Großhandel. Grundlage dieser Vorschläge ist die Aussage, dass die Apotheken gemessen an ihrer Leistung in den vergangenen Jahren zu viel Fixhonorar, andererseits aber zu wenig Geld für Rezeptur, BtM und Nacht- und Notdienst erhalten haben. Unterm Strich stellt das Gutachten fest, dass circa 1,1 Milliarden Euro jährlich zu viel an die Apotheker geflossen ist – im Durchschnitt 45.000 Euro pro Apotheke. Nach Ansicht der Gutachter ist diese Summe durch höhere Preise beim OTC-Produkten und für die Freiwahl kompensierbar.
Konkret hält 2hm ein Fixhonorar von 5,80 Euro (aktuell 8,35 Euro) für die Rx-Abgabe für ausreichend. Davon abgezogen werden muss noch der Apothekenabschlag von 1,77 Euro. Damit bleiben den Apothekern gerade mal 4,03 Euro. Laut Gutachter fallen durchschnittlich fünf bis sieben Minuten Beratungszeit an, pro Rezept elf Minuten. Und den Zyto-Apothekern attestiert das Gutachten ein viel zu hohes Einkommen. Dieses sollte mehr als halbiert werden.
Die Gutachter schlagen auf der anderen Seite eine Steigerung des variablen Honoraranteils von derzeit 3 Prozent auf 4,8 Prozent vor. Damit sollen die Kosten der Apotheken für die Warenwirtschaft in Höhe von 1,4 Milliarden Euro gedeckt werden. Zu überlegen sei, diesen Prozentsatz zu deckeln „und damit breiter auf die Apotheken zu verteilen“, heißt es im Gutachten.
Das Fixhonorar dient laut Gutachten zur Deckung der übrigen Kosten, nämlich Personal- und Gemeinkosten wie Miete und dergleichen. Der absolute Festzuschlag sei in 2018 mit 5,80 Euro „kostendeckend“, rechnet das Gutachten vor. Die Berechnungen beruhen auf der aktuellen Kostenstruktur der Apotheken, einschließlich der bis 2018 zu erwartenden Kostensteigerungen.
Für die Krankenkassen sehen die Gutachter beim Apothekenhonorar 1,125 Milliarden Euro Einsparpotenzial. Das bedeute pro Apotheke eine „Einnahmereduktion“ von 45.000 Euro. Denn die Berechnungen zeigten, dass die Apotheken durch die aktuell gültigen Preise nicht wie „häufig betont, Gemeinwohlpflichten mehr oder weniger ehrenamtlich erbringen“, sondern dass die Festzuschläge für Fertigarzneimittel in der Vergangenheit „derart hoch kalkuliert“ wurden, dass sie darüber hinaus „Bereiche der OTC-Abgabe und der Freiwahl subventionierten“. Bei dieser Rechnung sei man konservativ zugunsten der Apotheken vorgegangen, betonen die Gutachter.
Rx-Arzneipackungen machten nur 39 Prozent aller Packungseinheiten der Apotheken aus, während der Umsatzanteil 80 Prozent entspreche: „Es ist daher nicht aufrecht zu erhalten, dass – wie bisher – 75 Prozent der Kosten durch rezeptpflichtige Arzneimittel zu decken sind. Mehr noch: Das Wirtschaftlichkeitsprinzip verbiete es den Kassen, andere Produktbereiche „direkt oder indirekt zu finanzieren beziehungsweise zu subventionieren“.
Deutlich zu viel Honorar erhalten aus Sicht der Gutachter vor allem Zytostatika herstellende Apotheken. Statt kostendeckende 177,3 Millionen Euro erhielten die 300 Zyto-Apotheken 410,4 Millionen Euro: „Die kostendeckende Vergütung ist weniger als die Hälfte der bisherigen Zuschläge.“ Der jährliche Gewinn der Zyto-Apotheke liege trotz hoher Kostenstruktur in der Regel bei „0,5 bis 1,8 Millionen Euro. 25 Prozent der Zyto-Apotheker verdienen mehr, im Extrem bis zu sieben Millionen Euro im Jahr 2015.“ Der durchschnittliche Gewinn einer Apotheke liege hingegen zwischen 32.000 Euro und 200.000 Euro. Bei diesem Spitzenwert seien die Zyto-Apotheken eingerechnet.