„Hype scheint vorbei zu sein“

Barmer: Weniger Cannabis-Therapien durch Corona

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Berlin -

Die Corona-Pandemie könnte Auswirkungen auf die Versorgung von Patienten mit medizinischem Cannabis haben. Darauf deuten aktuelle Zahlen der Barmer hin: Demnach ist die Zahl der gestellten Erstattungsanträge seit Pandemiebeginn rückläufig. Der „Hype um Cannabis“ sei vorbei.

In den knapp fünf Jahren von der Einführung von medizinischem Cannabis im März 2017 bis Jahresende 2021 hat die Barmer nach eigenen Angaben 23.123 Anträge auf Erstattung cannabishaltiger Arzneimittel erhalten. Fast ein Drittel davon lehnte sie ab: 15.897 Anträge, also 68,7 Prozent, wurden bewilligt und 7226 zurückgewiesen.

Auffällig sei, dass die Fallzahlen in den vergangenen beiden Jahren rückläufig sind: Demnach war 2019 mit 5824 Anträgen der Höhepunkt erreicht, 2020 und 2021 sank ihre Zahl dann auf 4881 und 4272. „Der große Hype um Cannabis scheint vorbei, und es wird gezielter eingesetzt“, sagt Professor Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. „In einem therapeutischen Gesamtkonzept kann Cannabis bei Schwerkranken sinnvoller Teil der Behandlung sein. Aber es ist eben kein Allheilmittel und als Schmerzmittel allein unzureichend.“ Es seien auch in Zukunft weitere Studien erforderlich, um die komplexen Wirkmechanismen von Cannabis noch besser zu verstehen und diese in individuelle Behandlungskonzepte zu integrieren. Neben Schmerzen seien Spastiken etwa bei Multipler Sklerose sowie Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit Krebsbehandlungen ein häufiges Einsatzgebiet von Cannabis.

Ursache für den Rückgang ist aber laut Straub nicht nur ein gezielterer Einsatz, sondern offenbar auch die Corona-Pandemie. Nachdem es zwischen Mai 2018 und März 2020 monatlich immer zwischen 400 und etwa 540 Anträgen gegeben hatte, habe sich deren Zahl seit April 2020 bei rund 300 bis 400 Anträgen eingependelt. „Gerade in den Hochzeiten der Corona-Pandemie gehen die Versicherten seltener zur Ärztin oder zum Arzt. Das zeigt sich auch bei den Cannabis-Anträgen“, so Straub.

Aber auch regional lassen sich deutliche Unterschiede erkennen. So wurden laut Analyse in den vergangenen knapp fünf Jahren vergleichsweise viele Anträge im Saarland, in Bayern und Berlin gestellt, mit 410 beziehungsweise 394 und 355 je 100.000 Barmer-Versicherten. Am geringsten sei die Rate in Sachsen mit 198 je 100.000 Personen gewesen.

In totalen Zahlen gemessen wurden die meisten Anträge auf Kostenübernahme in Bayern mit 4682 gestellt, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 4587 und Baden-Württemberg mit 2.076. „In Bayern gibt es auch deshalb so viele Verordnungen für Cannabis, weil seit Mitte der 90er-Jahre an der Universität München gezielt dazu geforscht wurde“, sagt Straub. „Ärztinnen und Ärzte haben sich in der Zwischenzeit gezielt fortgebildet und vielfach Cannabis in die Behandlung unterschiedlicher Erkrankungen integriert.“ Das sei aber möglicherweise nicht überall in gleichem Maße der Fall. Auch unzureichend begründete Genehmigungsanträge könnten in manchen Regionen zu niedrigeren Bewilligungsquoten führen.

Insgesamt ´bekamen Barmer-Versicherte laut Analyse von März 2017 bis November 2021 fast 174.000 Verordnungen cannabishaltiger Präparate im Wert von etwa 87 Millionen Euro erstattet. Nur etwa 34.000 Verordnungen wurden über unverarbeitete Cannabisblüten ausgestellt. „Für den Einsatz von Cannabisblüten brauchen sowohl die behandelnden Ärztinnen und Ärzte als auch die Patientinnen und Patienten Erfahrung. Sie sind schwer dosierbar, die Wirkung ist nicht ohne Weiteres steuerbar“, so Straub. „Zudem ist die übliche Anwendung als Inhalation mit Hilfe von Vaporisatoren für die Patientinnen und Patienten aufwändig.“

Von einer Anwendung als Tee sei abzuraten, da der Übertritt der Wirkstoffe in das Wasser sehr variabel sei, insbesondere bei falscher Zubereitung. Die Cannabisblüten müssten 15 Minuten am Sieden gehalten werden. Leichter dosier- und anwendbar als Cannabisblüten seien flüssige Cannabisextrakte zum Einnehmen, ein Mundspray oder der isolierte Cannabiswirkstoff Dronabinol in Form von Kapseln oder Tropfen zum Einnehmen.

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