Während in den Apotheken die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) starten, hat die Barmer im Rahmen des Innovationsfonds ein eigenes Modell zum Medikationsmanagement aufgelegt: „Adam“ funktioniert so ähnlich wie „Armin“ oder auch „Athina“. Bei der digital unterstützten Betreuung von Menschen mit hohem Medikationsbedarf setzt die Kasse aber ausschließlich auf die Arztpraxen.
„Adam“ steht für „Anwendung für ein digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management“ und ist ein gemeinsames Projekt von Barmer und Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). 18 Millionen Patientinnen und Patienten mit hohem Medikamentenbedarf sollen sicherer behandelt werden und so vor unerwünschten und schlimmstenfalls tödlichen Wechselwirkungen geschützt werden.
Patient:innen, die fünf Arzneimittel und mehr einnehmen, können sich für Adam einschreiben. Dann wird die jeweilige Hausarztpraxis digital mit vollständigen Routinedaten der Krankenkasse zu Vorerkrankungen und Arzneimitteln versorgt. Die behandelnden Ärzt:innen werden auf Risiken durch potenziell gefährliche Wechselwirkungen hingewiesen.
„Arzneimitteltherapie ist hochkomplex. 1860 Wirkstoffe in 450.000 Kombinationen kann keine Ärztin oder Arzt ohne elektronische Hilfe überblicken“, so Barmer-Vorstandschef Professor Dr. Christoph Straub. Mit Adam habe man erstmals zeigen können, dass Informationen, die den Krankenkassen vorliegen, Informationslücken bei den behandelnden Ärzten schließen. „Das ermöglicht ihnen eine bessere Behandlung ihrer Patienten.“
Zwischen Juli 2017 und Juni 2021 hätten sich mehr als 11.000 Barmer-Versicherte und 937 Arztpraxen in Westfalen-Lippe beteiligt. Durch Adam könne die durch Neben- und Wechselwirkungen bedingte Sterblichkeit von Polypharmazie-Patienten um 10 bis 20 Prozent gesenkt werden, so die Barmer. Bei flächendeckender Anwendung könnten jährlich 65.000 bis 70.000 Todesfälle bundesweit vermieden werden. Weitere Details sollen morgen vorgestellt werden.
Laut KVWL-Vize Dr. Volker Schrage macht der Evaluationsbericht deutlich, dass Adam ein echter Meilenstein für die Patientensicherheit sei. „Für uns ist das Thema eine absolute Herzensangelegenheit. Durch die Corona-Pandemie sind Stress und Arbeitsaufkommen in den Arztpraxen stark gestiegen, viele Teams arbeiten am maximalen Anschlag. Trotzdem gilt: Die sichere Medikation darf niemals ins Hintertreffen geraten, denn der Schutz der Patientinnen und Patienten steht immer an erster Stelle. Hier ist Adam für uns ein wichtiger Anker.“
In dem Evaluationsbericht zum Projekt kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Universitäten Frankfurt/Main, Bochum, Bielefeld, Köln und Wuppertal zu dem Schluss, dass in fast allen Analysen und Patientengruppen positive Ergebnisse festzustellen sind. Damit diese Erfahrungen wirken, müssten neue Rahmenbedingungen geschaffen werden. Straub: „Im Sinne der Patientensicherheit braucht es zweierlei. Einerseits muss die Arzneimitteltherapie samt Dosierung künftig standardisiert kodiert werden. Andererseits bedarf es technischer Schnittstellen, um diese Daten unkompliziert mit Einverständnis der Patienten zwischen Praxen, Apotheken und Krankenhäusern auszutauschen.“
Versicherte benötigten zudem einen viel einfacheren Zugang zu neuen Versorgungsangeboten, die der Arzneimitteltherapiesicherheit dienten. Die mit Adam erreichten Effekte rechtfertigten es, Krankenkassen ausdrücklich gesetzlich zu erlauben, ihre Daten für solche Prozesse bereitzustellen.
Im Oktober startet das Innovationsfondsprojekt „eRIKA“. Ziel des Projekts sei es, mit einem digital gestützten Prozess zwischen Versicherten, Arztpraxen und Apotheken auf Basis des E-Rezeptes Medikationsfehler zu vermeiden. Dies könne ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu mehr Patientensicherheit sein. Dem Konsortium gehören neben der Barmer die AOK Nordost, die KVWL und die Universitäten Bielefeld, Wuppertal und Köln an. Mit an Bord seien die Gematik, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), mehrere Apothekerkammern, weitere KVen und Patientenvertreter. Darüber hinaus arbeite eine Vielzahl weiterer Kooperationspartner mit oder unterstütze das Projekt im wissenschaftlichen Beirat durch ihre Expertise.
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