Barmer, DAK, AOK Nordost halten vorerst still Lothar Klein, 17.08.2018 14:55 Uhr
Die AOK Hessen und die BKK VBU haben mit der Retaxation von Zyto-Apotheken für die Monate November und Dezember 2017 begonnen. In Hessen wurden etwa 30 Kollegen die Abrechnungen gekürzt. In Baden-Württemberg ist eine Retaxation einer BKK bekannt. Andere große Kassen wie die Barmer oder die DAK halten vorerst still. Auch im AOK-Lager verzichten große Regionalkassen vorerst auf Rückforderungen von Apotheken. Die AOK Nordost bietet ihren Zyto-Apotheken sogar einen Stillhalteabkommen an.
Es geht um den Abrechnungszeitraum von November 2017 bis Ende Februar 2018. Der am 19. Januar verkündete Schiedsspruch der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 Sozialgesetzbuch (SGB V) wurde rückwirkend zum 1. November in Kraft gesetzt. Damit waren alle Abrechnungen im November in Dezember automatisch zu den alten, nicht mehr gültigen Konditionen erfolgt. Auch die elektronische Umsetzung der neuen Hilfstaxe im Preisverzeichnis der Apothekensoftware erfolgte erst zum 1. März 2018. Daher wurden bis dahin parenterale Zubereitungen auf Empfehlung des GKV-Spitzenverbandes auf Grundlage der „alten“ Hilfstaxe abgerechnet. Zudem ist noch eine Klage es Deutschen Apothekerverbandes (DAV) gegen die neue Hilfstaxe nicht entschieden.
Auf diese Umstände will die AOK Nordost Rücksicht nehmen und schlägt ihren Zyto-Apotheken ein Stillhalteabkommen vor: Man biete an, die Abrechnungsprüfung „bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens auszusetzen und danach gegebenenfalls nachzuholen“, heißt es in einem Schreiben der Kasse. Beigefügt ist ein Vertrag „zur eingeschränkten Aussetzung vertraglicher Fristen zur Rechnungs- und Taxbeanstandung“.
Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC verhalten sich in ähnlicher Weise die AOKen Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz/Saarland. Auch die Barmer und die DAK wollen vorerst nicht retaxieren.
„Was die Retaxationen im Rahmen des Hilfstaxen-Schiedsspruches betrifft, befinden wir uns in Gesprächen mit dem DAV“, teilte die Barmer mit: „Dabei wollen wir eine für beide Seiten akzeptable Lösung entwickeln.“ Aus Sicht der Barmer sei der Schiedsspruch zur Hilfstaxe bis auf weiteres rückwirkend zum 1. November 2017 gültig. Selbstverständlich müsse für eine abschließende Bewertung noch das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zur Hilfstaxe abgewartet werden. Technisch notwendig seien Retaxationen allerdings schon deshalb, weil erst seit dem 1. März 2018 eine schiedsstellenkonforme elektronische Abrechnung der neuen Abschläge möglich sei.
„Vor diesem Hintergrund sind Korrekturen bei den Abrechnungen unerlässlich“, so die Barmer weiter. Die Kasse sei bei der Retaxierung grundsätzlich an die vorgegebenen gesetzlichen und vertraglichen Fristen gebunden. Leider hätten weder der DAV noch der GKV-Spitzenverband einen Verzicht der Verjährungsfrist für die Retaxationen erzielen können, bis das Rechtsverfahren zur Hilfstaxe endgültig abgeschlossen ist.
Wie die Barmer will auch die DAK ihre Rechtsposition sichern, aber vorerst keine Retaxationen durchführen: „Wir sind hierbei an die vorgegebenen gesetzlichen und vertraglichen Fristen gebunden. Wir werden retaxieren, wenn bis zum Zeitpunkt der Verfristung sich die Rechtslage nicht geändert hat. Wir befinden uns hierzu in kontinuierlichen Gesprächen mit dem DAV als Vertragspartner, um eine für beide Seiten akzeptable Vorgehensweise zu entwickeln“, teilte die Kasse auf Anfrage mit.
Derweil wehrt sich die BKK VBU gegen den Vorwurf, ihre bereits getätigten Retaxationen seien „rechtswidrig“. Entsprechend den gültigen Arzneimittellieferverträgen müssen Taxbeanstandungen innerhalb der vereinbarten Fristen den Apotheken oder Rechenzentren zugestellt werden. Da die Klage des DAV gegen die Hilfstaxe anhängig sei und zudem der DAV Teile der Hilfstaxe gekündigt habe, werde „eine endgültige Klärung bezüglich der Preisgestaltung noch über diesen Zeitpunkt hinaus auf sich warten lassen“. Vor diesem Hintergrund habe die BKK·VBU „das Verfahren zu Taxbeanstandungen vertragskonform eingeleitet, deshalb ist das Verhalten der BKK VBU nicht rechtswidrig.“
In einem Brief an Zyto-Apotheken hatte der der Verband Zytostatika herstellender Apotheken (VZA) empfohlen, Einspruch gegen Retaxationen einzulegen. In dem Schreiben hatte der VZA erklärt: „Vor dem Hintergrund, dass somit noch nicht gerichtlich geklärt ist, ob die Festsetzungen des Schiedsspruchs rechtmäßig sind und Bestand haben, empfehlen wir Ihnen, gegen die Retaxationen der BKK VBU fristgemäß Einspruch zu erheben. Gleiches gilt für etwaige vergleichbare Retaxationen anderer Krankenkassen“, so der VZA.
Noch ist unklar wie es mit der Hilfstaxe weitergeht: Die Verhandlungen des DAV mit dem GKV-Spitzenverband über eine Neuordnung waren im Frühsommer gescheitert. Daraufhin hat der DAV die Anlagen 1 und 2 und Teile der Anlage 3 gekündigt. In Anlage 1 der Hilfstaxe findet sich die Liste der Arzneimittelpreise und in Anlage 2 die Liste der Gefäße. Beide Anlagen wurden zum 30. September gekündigt.